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Tom Thorne 08 - Die Schuld des Blutes

Titel: Tom Thorne 08 - Die Schuld des Blutes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mark Billingham
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Prolog
    DEBBIE UND JASON
     
    »Komm, Spatz! Gehen wir Züge anpusten.« Debbie Mitchell packt ihren Sohn am Arm, aber den zieht es in die entgegengesetzte Richtung zu dem schokoladebraunen Labrador, den die alte Frau mühsam zu kontrollieren versucht. »Tsch-tsch.« Debbie bläst die Backen auf. »Komm, das magst du doch so gerne …«
    Jason zieht stärker. Wenn er will, ist er ganz schön kräftig. Das Geräusch, das er macht, liegt irgendwo zwischen einem Grunzen und einem Wimmern. Doch Debbie versteht ihn auch so.
    »Hund«, meint er. »Hund, Hund!«
    Die alte Frau mit dem Labrador lächelt dem Jungen zu - sie hat die beiden schon oft im Park gesehen -, um dann wie jedes Mal traurig zu seiner Mutter zu schauen.
    »Armer Kleiner«, sagt sie. »Er weiß, dass ich in meiner Tasche ein paar Leckerlis für Buzz habe. Er will ihm welche geben, stimmt’s?« Der Hund hört zu und zerrt kräftiger an der Leine. Er will zu dem Jungen.
    »Tut mir leid«, sagt Debbie. »Wir müssen weiter.« Sie zieht an Jasons Arm, und diesmal schreit er vor Schmerz auf. »Jetzt …«
    Sie geht schnell, sieht sich dabei alle paar Schritte um und zieht Jason hinter sich her. »Tsch-tsch«, wiederholt sie
und versucht, sich ihre Angst nicht anhören zu lassen. Sie weiß, wie sensibel er darauf reagiert. Der Junge fängt an zu lächeln, den Hund hat er bereits vergessen. Er läuft neben ihr her und schnauft selbst wie eine Lokomotive.
    Sie hört den Hund bellen. Die alte Frau - wie hieß sie gleich wieder, Sally? Sarah? - meinte es gut, und an jedem anderen Tag hätte Debbie mit ihr gesprochen. Um ihre Gereiztheit zu überspielen, hätte sie gelächelt und erklärt, dass Jason kein armer Kleiner sei. Dass es kein glücklicheres Kind gäbe, kein Kind mehr geliebt würde.
    Ihr kleiner Schatz. Der schon neun Jahre alt wurde und bereits Haare an den Beinen und ein übergroßes Arsenal-T-Shirt hatte. Der wahrscheinlich nie lernen würde, selbst zu essen oder sich anzuziehen.
    »Zug«, sagt Jason. Versucht Jason zu sagen.
    Sie läuft über das tiefer gelegene Gelände, an der Bank vorbei, auf der sie normalerweise eine Weile sitzen, an heißeren Tagen manchmal ein Eis essen. Dann, als sie den Fußballplatz erreichen, läuft Jason voraus. Sie kommen schon seit einigen Jahren hierher, und während sie auf die vertraute Baumreihe entlang der Bahngleise zuläuft, fällt ihr auf, dass sie nicht einmal weiß, wie dieser Ort heißt. Ob er überhaupt einen Namen hat. Hampstead Heath oder Richmond Park ist es nicht - letzten Sommer trieb sich hier wochenlang ein Exhibitionist herum, und die Kids aus der Gegend machten nachts manchmal Feuer - aber das hier gehörte ihnen.
    Ihr und Jason.
    Sie blickt sich erneut um und marschiert weiter. Sie kämpft gegen den Wunsch an, zu rennen, weil sie fürchtet, jemand könne sie sehen und sie aufhalten. Als sie den Mann nirgends entdeckt, nach dem sie Ausschau hält, geht
sie schneller, um Jason einzuholen. Er ist wie immer vor den Torpfosten stehen geblieben, um sich auszumalen, einen Elfmeter zu schießen. Das macht er, egal ob jemand spielt oder nicht. Die Jungs, die hier rumbolzen, sind es gewohnt, dass er auf ihr Spielfeld stürmt und vor dem Tor herumfuchtelt wie Ronaldo. Manchmal feuern sie ihn an, und keiner von den Jungs lacht oder grimassiert mehr. Dafür könnte Debbie die kleinen Mistkerle küssen. Sie bringt ihnen ab und zu eine kalte Limo mit oder aufgeschnittene Orangen.
    Sie greift nach Jasons Hand und deutet mit einer Kopfbewegung zur Brücke, die hundert Meter links vor ihnen liegt.
    Sie gehen rasch darauf zu.
    Normalerweise hätten sie den anderen Weg genommen, durch den Eingang gegenüber ihrer Wohnung. Sie wären dann über die Brücke hierhergekommen und hätten nicht über die Plastikstühle und den Gartenzaun ihrer Freundin klettern müssen.
    Aber das war kein normaler Tag.
    Als sie sich wieder umsieht, entdeckt sie auf der anderen Seite des Fußballfelds den Mann. Er winkt, und sie muss dagegen ankämpfen, in die Hose zu pinkeln. Er könnte sie unmöglich rechtzeitig erreichen, selbst wenn er lief. Oder etwa doch? Aber die Tatsache, dass er gar nicht schnell läuft, sondern dass er selbstbewusst ausschreitet, jagt ihr mehr Angst ein, als sie für möglich gehalten hätte. Sie hatte es gewusst, bevor sie ihn am Telefon gehört hatte. Sie hatte es in seinen Augen gesehen und an dem schrecklichen roten Fleck unter seiner Jacke.
    Der Mann winkt wieder und fängt an zu rennen.
    Auf der Brücke

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