Tom Thorne 08 - Die Schuld des Blutes
späten Nachmittag«, sagte Hendricks. »Soweit ich das jetzt sagen kann.«
»Vor fünf?«, fragte Holland.
»Wahrscheinlich zwischen drei und vier, aber zum jetzigen Zeitpunkt lege ich dafür nicht die Hand ins Feuer.«
»Das passt.« Holland machte sich Notizen. »Der Ehemann gibt an, kurz nach fünf Uhr nach Hause gekommen zu sein.«
»Dann wär er draußen?«
» Niemand ist draußen«, widersprach Thorne.
»Okay.«
Thorne sah Hendricks’ Gesichtsausdruck und Hollands Blick, als dieser sich von seinen Notizen losriss. »Sorry …«
Er hatte die Schalen aus rostfreiem Stahl gemustert, in denen Emily Walkers wichtigste Organe lagen. Dabei schoss ihm der Gedanke durch den Kopf, dass sie jetzt die paar Extrakilo losgeworden war, die ihr zu schaffen gemacht hatten. Sein Blick wanderte zu ihren aufgequollenen, bleichen Füßen, dem roten Nagellack und dem Stern über ihrem Knöchel. Er hatte, ohne es zu wollen, in einem schneidenden Ton gesprochen.
Holland sah zu Hendricks und flüsterte, für Thornes Ohren bestimmt: »Mit dem falschen Fuß aufgestanden.«
Thorne merkte, wie er von Minute zu Minute gereizter wurde. Er versuchte sich zu beruhigen, vergebens. Als er zehn Minuten später mit Holland hinausging, fühlte sich sein Gesicht heiß an, und es fiel es ihm schwer, ruhig zu atmen. Manchmal war er nach einer Autopsie voller Tatendrang, verwirrt und häufig einfach nur deprimiert, aber er konnte sich nicht daran erinnern, wann er das letzte Mal so verdammt wütend gewesen war.
Auf dem Weg aus dem Sektionsraum schaltete er das Handy wieder ein. Als er durch den Haupteingang auf die Avondale Road trat, sah er, dass Louise ihn dreimal angerufen hatte. Er bat Holland vorauszugehen.
Sie hatte diese Stimme, als ob sie gerade geweint hätte. »Sie haben es noch immer nicht gemacht.«
»Mein Gott, das gibt’s doch nicht!«
»Ich weiß nicht, was ich tun soll«, sagte sie.
Er wandte sich ab, sah hinüber zur North Circular und wich den Blicken eines Pärchens an der Bushaltestelle aus, das ihn brüllen hörte. »Was haben sie denn gesagt?«
»Ich finde niemanden, der mir erklärt, was los ist.«
»Ich bin in fünfzehn Minuten da«, sagte Thorne.
Sie brach in Tränen aus, als sie ihn durch die Tür in die Abteilung stürmen sah. Er beruhigte sie und zog die Vorhänge um das Bett zu, bevor er sich setzte und sie in die Arme nahm.
»Ich will, dass es aus mir draußen ist«, sagte sie. »Verstehst du?«
»Ich weiß.«
Durch die Vorhänge hörten sie die Stimme der Frau aus dem Bett gegenüber. »Ist alles in Ordnung?«
»Alles bestens«, sagte Thorne.
»Soll ich jemanden holen?«
Thorne beugte sich zu Louise. » Ich hole jemanden.«
Fünf Minuten lang lief er durch die Gänge, bis er einen Stock höher einen Arzt fand. Er sagte ihm, dass es so nicht gehe. Nach ein paar Minuten Gebrüll machte er noch immer keine Anstalten, klein beizugeben, während der Arzt ein paar Anrufe erledigte. Dann kam Thorne zurück an Louises Bett - mit einer sanften schottischen Krankenschwester an der Seite, die all die richtigen Laute von sich gab, um dann zuzugeben, dass sie nichts für sie tun könne.
»Das reicht nicht«, sagte Thorne.
»Es tut mir leid, aber das ist die übliche Vorgehensweise hier.«
»Wie bitte?«
»Ihre Partnerin hatte einfach nur Pech, fürchte ich.« Die Krankenschwester sah die Unterlagen durch, die sie mitgenommen hatte. Sie hielt sie Thorne hin. »Die OP wurde angesetzt, aber im letzten Augenblick kam ein dringender Fall rein. Einfach Pech …«
»Man hat ihr versprochen, sie am Abend noch dranzunehmen«, sagte Thorne. »Dann hieß es, sie käme gleich am Morgen dran.«
Louise hatte die Augen geschlossen. Sie wirkte erschöpft. »Vor zwei Stunden hieß es, ich sei die Nächste.«
»Das ist doch absolut lachhaft«, sagte Thorne.
Die Krankenschwester blätterte erneut in ihren Unterlagen und nickte, als sie die Erklärung fand. »Ja, da kam jemand rein mit einem bösen Armbruch, ich fürchte …«
»Einem Armbruch ?«
Die Krankenschwester sah Thorne an, als handle es sich um die einfachste Sache der Welt. »Er hatte ziemliche Schmerzen.«
Thorne erwiderte den Blick und deutete auf Louise. »Glauben Sie, für sie ist das ein Vergnügen?«
Alex stopfte sich das letzte Stück Toast in den Mund, als Greg in die Küche kam. Er nickte ihr zu, noch damit beschäftigt, sein Hemd in die Hose zu stecken. Sie brummte zurück, winkte kurz und wandte sich wieder dem Artikel im Guardian
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