Tom Thorne 09 - Das Geständnis des Toten
Jüngere Mütter.«
»Jetzt sei doch nicht blöd.«
Helen hatte sehr viel darüber nachgedacht, und sie fühlte sich nicht wohl dabei. Die Schwangeren, die sie bei den Geburtsvorbereitungskursen und Ultraschalluntersuchungen getroffen hatte, kamen ihr alle so viel jünger vor. »Mein Gott, es gibt Frauen in meinem Alter, die sind schon Großmütter.«
Jenny rümpfte die Nase. »Frauen ohne ein eigenes Leben, meinst du. Zwei Generationen Buggy-schiebender Irrer.«
»Ich bin fünfunddreißig«, sagte Helen. Ihr war bewusst, wie lachhaft das klang. Sie sprach es aus, als handle es sich um eine tödliche Krankheit.
»Na und? Mir wär es lieber, ich hätte die meinen später bekommen. Um einiges später.«
»Das nehm ich dir nicht ab.«
Jenny strahlte. Ihre Schwester hatte keine Karriere hintanstellen müssen und die Mutterrolle ohne Probleme angenommen. Geradezu erschreckend war das. Die supereinfachen Schwangerschaften, die Figur, die ohne große Anstrengung sofort wieder wie zuvor war, und der Stress war letztlich nur eine Ansammlung einiger Problemchen, die man lösen musste. Ein phantastisches Rollenmodell, aber auch ein deprimierendes.
»Alles wird gut «, sagte Jenny.
»Ja.«
Wenn ihr erst mal zwei seid. Der unausgesprochene Gedanke, der die Gesprächspause füllte, brachte sie zurück zu Paul …
»Du weißt, dass du danach die erste Zeit gerne zu uns kommen kannst?«
… zu seiner Abwesenheit.
»Ich weiß, danke.«
»Es wär schön, wieder ein Baby im Haus zu haben.« Jenny grinste und beugte sich über den Tisch. »Keine Ahnung, wie Tim reagiert, wenn ich wieder diesen Gluckhennenblick habe. Apropos Gluckhenne, du hättest ihn letztes Jahr mit dem Baby seines Bruders sehen sollen. Er wollte das Kleine gar nicht mehr hergeben.«
Helen sagte nichts. Sie hatte Paul von unterwegs angerufen und sowohl in seinem Büro wie auf seinem Handy nur den Anrufbeantworter erreicht.
»Ich will dich nicht damit nerven, aber bist du dir schon klar darüber, wer bei der Entbindung dabei sein soll?«
»Nicht wirklich.«
»Ich würde das echt gern machen, das weißt du.«
»Jen, das ist alles gegessen.«
»Ein Plan B kann nicht schaden.«
Helen war dankbar, als plötzlich eine Freundin von Jenny an ihren Tisch kam und sie abtauchen konnte, während die beiden jüngeren Frauen sich über eine Kampagne unterhielten, die Geländewagen in den Straßen um die Schule zu verbieten. Sie rieb sich den Magen, als sie das Sodbrennen wieder spürte. Auch daran hatte sie sich in den letzten acht Monaten gewöhnen müssen. Sie überlegte, wie sie den Tag verbringen könnte. Eine Möglichkeit wäre, die Zeit mit Shoppen im Sainsbury’s totzuschlagen. Oder sich noch mal hinzulegen, wenn sie nach Hause kam. So wie die Dinge waren, hätte sie nichts dagegen, einfach hier sitzen zu bleiben, bis es dunkel wurde.
Als sie merkte, dass die Frau mit ihr sprach, lächelte Helen und versuchte so zu tun, als habe sie die ganze Zeit zugehört.
»… Sie können es wahrscheinlich nicht mehr erwarten,
dass das da draußen ist?« Dabei sah sie auf Helens Bauch. »Wenigstens war der Sommer nicht zu heiß. Das ist der Albtraum, wenn man so weit ist.«
»Es kommt garantiert noch eine Hitzewelle in den nächsten Wochen«, meinte Jenny.
»Da kannst du Gift drauf nehmen«, sagte Helen.
Klar, natürlich wollte sie die Geburt am liebsten sofort hinter sich bringen. Sie hatte es so satt, diesen riesigen Hüpfball vor sich herzutragen und dazu diese Blicke und Ratschläge. Herr im Himmel, von wegen Erwartungsdruck.
Sie wollte ein Baby und dann einen Strich ziehen. Einen Neuanfang.
In diesem Augenblick aber wollte sie vor allem eines: nicht mehr allein sein.
Paul ließ das Auto in einem Parkhaus in Soho stehen und wartete fünf oder zehn Minuten im Regen auf das Taxi. Die Scheinwerfer des schwarzen Wagens waren ausgeschaltet, als er endlich um die Ecke bog und vor ihm hielt. Es saß bereits ein Fahrgast darin.
Der Taxifahrer wirkte ernst, als er Paul die Tür aufhielt. Es stellte sich allerdings schnell heraus, dass – bislang – vor allem das Wetter Kevin Shepherd nervte.
»Zum Kotzen, oder?«
Paul ließ sich auf einen Notsitz fallen. Er fuhr sich durch die kurz geschnittenen Haare und schüttelte das Wasser heraus.
»Ich hab gedacht, die globale Erwärmung macht Schluss mit dem Sauwetter«, sagte Shepherd.
Paul grinste, er wurde nach vorn geschleudert, als das Taxi losfuhr und links in die Wardour Street einbog.
»Ich hab ein
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