Tony Mendez 01 - Schwärzer als der Tod
und wieder durfte auch einmal jemand anders an ihrer Stelle stark sein.
Sie bog in die Via Colinas ab und merkte, dass das Auto hinter ihr ebenfalls abbog. Sie bog auf die Rojas ab. Es folgte ihr.
Ihr Herz begann schneller zu schlagen. Sie hatte die Innenstadt hinter sich gelassen und befand sich jetzt in einem ruhigen Wohngebiet. Die Leute saßen in ihren Häusern, sahen fern - so wie sie es auch in ihrer Straße tun würden, wenn sie in die Einfahrt bog und allein zu ihrem Haus ging.
Sie sollte schnurstracks zum Büro des Sheriffs fahren, dachte sie nervös.
Kaum hatte sie den Satz zu Ende gedacht, sah sie im Rückspiegel rote und blaue Lichter aufleuchten.
Sie stieß einen Seufzer aus und fuhr an den Straßenrand. Wahrscheinlich hatte sie irgendwann beim Abbiegen vergessen, den Blinker zu setzen. Das war die Strafe dafür, dass sie beim Autofahren über andere Dinge nachgedacht hatte - der zweite Strafzettel innerhalb einer Woche.
Sie ließ ihr Fenster herunter und griff nach ihrer Handtasche.
»Führerschein, Fahrzeugschein und Versicherungsnachweis.«
Die Stimme verbarg sich hinter dem blendenden Lichtkegel einer Taschenlampe und jagte ihr einen Angstschauer über den Rücken.
Frank Farman.
Tommy war ausgesprochen zufrieden mit sich, als er mit seinem Vater durch die Zahnarztpraxis zu ihrem auf der Rückseite des Hauses geparkten Auto ging. Er kam sich sehr erwachsen vor, weil er eine Verabredung zum Abendessen gehabt hatte, so wie seine Mutter sie ständig hatte.
»Das hat Spaß gemacht, was, Sportsfreund?«, fragte sein Vater.
»Ja.«
»Und du hast verstanden, warum Miss Navarre dir diese Fragen gestellt hat, oder? Sie hat das nicht böse gemeint.«
Tommy nickte, sagte jedoch nichts. Er verstand, dass Miss Navarre es nicht böse gemeint hatte, aber er war immer noch sauer auf Detective Mendez und den Mann vom FBI wegen dem, was sie am Abend zuvor zu seiner Mutter gesagt hatten. Sie hatten geklungen, als würden sie jedes Wort ernst meinen, und was sie gesagt hatten, bedeutete, dass sie seinen Vater womöglich für einen Serienmörder hielten. Es mochte
ja ihr Job sein, misstrauisch zu sein, aber Tommy war trotzdem immer noch wütend. Wahrscheinlich gehörte das zu den Dingen, die er ohne weiteres verstehen würde, wenn er älter war - zumindest würden das die Erwachsenen sagen.
»Das war sehr nett von dir, Miss Navarre ein Geschenk mitzubringen«, sagte sein Vater. »Was war es denn?«
»Eine Halskette.«
Sein Vater warf ihm im Schein der Armaturenbeleuchtung einen Blick zu. »Woher hast du denn eine Halskette? Du bist doch heute gar nicht aus dem Haus gegangen.«
Bei dem Gedanken an das fällige Geständnis schnitt Tommy eine Grimasse. »Mom hat sie weggeworfen. Sie hatte heute Morgen einen ihrer Anfälle und hat sie weggeworfen. Aber es war eine schöne Kette, und ich dachte, dass sie Miss Navarre irgendwas geben sollte, weil sie sie gestern Abend vor allen Leuten angeschrien hat, und dass es eine gute Idee ist, Miss Navarre die Halskette zu schenken. Und das habe ich dann gemacht.«
Sein Vater starrte auf die Straße. »Deine Mutter hat eine Halskette weggeworfen?«
»Sie wirft dauernd Sachen weg. Sie sollte überhaupt keine schönen Sachen haben, wenn sie nicht besser auf sie aufpasst«, sagte Tommy.
Trotzdem hatte er jetzt Gewissensbisse wegen der Kette. Er sollte seiner Mutter wegen der Dinge, die sie tat, wenn sie sich aufregte, nicht böse sein. Sie konnte dann eben einfach nicht klar denken. Er sollte Mitleid mit ihr haben und nicht ihre Sachen verschenken.
»War das schlimm?«, fragte er.
»Nein, mein Sohn. Du hast es gut gemeint«, erwiderte sein Vater.
»Was zählt, ist die gute Absicht«, sagte Tommy. Das war
auch so etwas, was Erwachsene immer sagten und woraus er nicht recht schlau wurde. Aber es klang gut.
Anne reichte Frank Farman durch das Fenster die Autopapiere und ihren Führerschein.
»Was habe ich mir denn zuschulden kommen lassen, Deputy?«
»Ich stelle hier die Fragen«, sagte er. »Aber genau das ist Ihr Problem, nicht wahr, Miss Navarre? Sie wissen nie, wann Sie besser den Mund halten sollten.«
»Ich bin mir ziemlich sicher, dass das nicht gegen das Gesetz verstößt.«
»Steigen Sie aus«, befahl Farman.
»Nein.« Sie sagte es, ohne nachzudenken.
Farman riss die Tür des VWs auf. »Steigen Sie aus. Ihr rücksichtloser Fahrstil und Ihr aggressives Verhalten lassen mich zu dem Schluss kommen, dass Sie vielleicht betrunken sind. Sie können
Weitere Kostenlose Bücher