Tony Mendez 01 - Schwärzer als der Tod
Sexspielchen bezahlen würde«, sagte er.
Vince zog eine Augenbraue in die Höhe. »Warum nicht?«
»Weil es ihn nicht mehr erregen würde. Vielleicht hat es ihm eine Zeit lang genügt, so zu tun, als ob, aber jetzt hat er Geschmack an der richtigen Sache entwickelt. Er will keine gespielte Angst, wenn er echte Angst hervorrufen kann. Es reicht ihm nicht mehr, so zu tun, als würde er eine Frau erwürgen, nachdem er tatsächlich zwei Frauen erwürgt hat.«
»Gute Theorie. Sehr gut«, sagte Vince, mehr als zufrieden mit seinem Protegé. »Kommen wir auf etwas zurück, das Crane heute Nachmittag gesagt hat, als Sie ihn vernommen haben.«
Mendez ging zum Fernsehgerät und legte das Band von der Vernehmung Cranes in den Videorekorder ein. Vince griff nach der Fernbedienung und ließ den größten Teil im Schnelldurchlauf abspielen.
»Crane: ›… ein verheirateter Mann.‹
Mendez: ›Daran hätte er denken sollen, bevor er seine Hose aufgeknöpft hat.‹
Crane: ›Es ist mir wirklich unangenehm, darüber zu sprechen. ‹
Mendez: ›Sie sagten, Steve wäre nicht ganz einfach zu durchschauen. In welcher Hinsicht? Mann, Sie sind doch mit ihm befreundet. Erzählen Sie mir etwas über ihn.‹
Crane: ›Ich wollte damit nur sagen, dass Steve getrieben ist. Die Arbeit für das Thomas Center ist ihm sehr wichtig. Steve kommt aus schwierigen Familienverhältnissen - eine alleinerziehende Mutter, immer knapp bei Kasse, schwere Zeiten …‹«
»Darüber müssen wir mehr in Erfahrung bringen«, sagte Vince und drückte die Pause-Taste. »Schwere Zeiten und eine alleinerziehende Mutter könnten zu etwas anderem führen.«
»Seinem Motiv, für die Rechte benachteiligter Frauen einzutreten«, sagte Hamilton.
»Oder seiner ungesunden Neigung zu benachteiligten
Frauen«, sagte Vince. »Für jeden braven Mann, der sich für den Priesterstand entscheidet, sitzt ein Pädophiler zwei Beichtstühle weiter. Durchleuchten Sie Morgans Hintergrund - und den von Crane.«
75
Wie es sich für einen so schönen Samstagabend im Herbst gehörte, wimmelte es in der Fußgängerzone und in den Seitenstraßen von Menschen, die essen gingen, sich mit Freunden trafen, Musik hörten. Auf dem Weg zu ihrem Auto, das sie auf einem öffentlichen Parkplatz abgestellt hatte, ließ Anne ihre Gedanken schweifen. Sie gestattete es sich, wie ein Teenager von dem Mann zu träumen, in den sie verliebt war. Wo war er jetzt? Was machte er gerade? Dachte er an sie?
Sie schalt sich selbst albern. Der Mann, in den sie verknallt war, war auf der Jagd nach einem Serienmörder, er saß nicht herum und hing wie sie Tagträumen nach.
Später vielleicht.
Sie dachte an den Nachmittag zurück, als sie ein paar Augenblicke für sich allein gehabt hatten.
»Wie geht es dir mit gestern Abend?«, fragte er.
Sie spürte, dass sie errötete.
»Für Schamhaftigkeit ist es ein bisschen zu spät«, sagte er und lachte leise. »Bereust du es?«
»Nein«, sagte sie, ohne zu zögern. »Ich bin mir noch nicht ganz im Klaren darüber, aber nein.«
»Gut.«
Sie war sich noch immer nicht im Klaren darüber. Aber vielleicht gab es auch gar nichts, worüber sie sich im Klaren hätte sein können. Vielleicht war sie einfach nur eine erwachsene Frau, die die Aufmerksamkeit eines Mannes genoss.
Vielleicht brauchte sie weder einen Grund noch genaue Vorstellungen. Und falls sie sich Gedanken darüber hätte machen sollen, wohin das alles führte … Sie machte sich keine.
Sie verließ den Parkplatz und fuhr die Sycamore hinunter.
Er hatte gesagt, dass er wahrscheinlich lange arbeiten würde. Aber falls es nicht zu spät war, dürfte er dann vielleicht noch vorbeikommen?
Ja. Insbesondere nach dem Tag, den sie hinter sich hatte, ja. Sie war so müde. Ihre Seele war müde von all den Dingen, die sie in der vergangenen Woche gesehen hatte. Es gab wohl niemanden, der sie als Frohnatur bezeichnet hätte, aber zu Beginn der Woche war sie der Welt zweifellos wesentlich optimistischer gegenübergetreten als jetzt, fünf Tage später. Es kam ihr vor, als wäre ihr Optimismus von einem Lastwagen über eine Schotterpiste geschleift worden.
Wie wunderbar wäre es gewesen, sich jetzt in Vince’ Arme zu schmiegen und sich von ihm sagen zu lassen, dass alles wieder gut werden würde, dass er sich um sie kümmern würde. Na gut, das waren sicher keine politisch korrekten Überlegungen für eine junge, alleinstehende, berufstätige Frau, aber so war es eben. Sie war so lange stark gewesen. Hin
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