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Tony Mendez 02 - Eine verräterische Spur

Tony Mendez 02 - Eine verräterische Spur

Titel: Tony Mendez 02 - Eine verräterische Spur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tami Hoag
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irgendeiner Pflanze. Sie sah aus wie ein langer knochiger Finger, der auf sie zeigte.
    Befand sie sich in einer Zelle? In einem Keller?
    Der Schmerz durchbrach die schwachen Grenzen ihres Willens und verschlang sie, erstickte sie, pulsierte durch ihren Körper, bis für nichts anderes mehr Platz war – nicht zum Atmen, nicht zum Denken.
    Sie hatte keine Ahnung, wie lange sie bewusstlos gewesen war. Vielleicht Sekunden. Vielleicht Stunden. Als sie wieder zu sich kam, schien sich nichts verändert zu haben. Sie hatte nicht geträumt – es sei denn, sie träumte immer noch.
    Kein Traum. Ein Albtraum.
    Ihr war schwindlig und übel. Der Gestank, der sie umgab, stieg ihr in die Nase und kroch ihre Kehle hinunter. Fäkalien und Urin, Nagetiere und Moder. Müll. Bier. Sie musste würgen, konnte gar nicht mehr aufhören zu würgen.
    Sie wollte sich auf ihren linken Arm gestützt aufrichten, um sich zur Seite zu erbrechen, aber ihre Hände waren hinter ihrem Rücken gefesselt. Ihr fiel das Klebeband um ihre Handgelenke wieder ein.
    Es saß nicht sehr fest. Sie drehte ihre rechte Hand und riss mit den Fingern daran, zog es Stück für Stück ab. Erneut versuchte sie, sich mit dem linken Arm aufzustützen, aber er gab unter ihr nach, und ein stechender Schmerz durchfuhr sie.
    Oh Gott. Oh Gott.
    Kein Traum. Kein Albtraum. Sie war hellwach.
    Jetzt kamen die Tränen und die Angst. Wo in aller Welt war sie? In stroboskopartigen Blitzen kehrte die Erinnerung zurück. Nacht. Sie ging einen Weg entlang. Erstickte beinahe an ihrer Angst. Flehte um ihr Leben. Ein Schuss.
    Ein Schuss. Sie war angeschossen. Sie sah an sich hinunter. Ihr T-Shirt war blutdurchtränkt, in der linken Schulter war ein Loch hineingebrannt. Sie wusste nicht, ob die Kugel noch in ihrem Körper steckte oder ihn durchschlagen hatte. Jedenfalls hatte sie sie nicht umgebracht. Es mussten Stunden vergangen sein, und sie war an dem Blutverlust nicht gestorben.
    Das war ein gutes Zeichen.
    Langsam führte sie eine Bestandsaufnahme an ihrem Körper durch. Sie konnte ihren linken Arm spüren, aber er war unbrauchbar. Ihr rechter Arm funktionierte normal. Sie bewegte ihren linken Fuß, zog das linke Knie an. Keine Verletzungen. Bei ihrem rechten Bein sah die Sache anders aus.
    Der Schmerz bei dem Versuch, den rechten Fuß zu bewegen, war höllisch. Mühsam richtete sie sich auf ihrem rechten Ellbogen auf und blickte von Panik erfüllt nach unten. Ihr Fuß war in einem unnatürlichen Winkel zum Bein nach innen gedreht, ihr Knöchel musste übel gebrochen sein.
    »Hilfe!«, schrie Gina. »Hilfe! Kann mir jemand helfen?«
    Sie schrie, bis sie heiser war. Sie war mitten im Nirgendwo. Niemand konnte sie hören.
    Das Verlies, in dem sie sich befand, war etwa eineinhalb Meter breit. Bis zum Licht war es ein langer Weg. Sie konnte Entfernungen nicht besonders gut schätzen, aber es waren bestimmt mehr als sieben Meter. Jetzt erinnerte sie sich an die Klappe, eine Art Kellertür. Diese Klappe – rissig und halb verrottet – war die Decke ihres Gefängnisses.
    Sie streckte die rechte Hand nach der Mauer aus, sie fühlte sich hart und rau an. Beton. Verdreckter Beton. Sie lag auf Müll – alte Bretter, zusammengedrückte Kartons, stinkende, zerrissene Plastiksäcke, aus denen der Inhalt quoll: Eierschalen und Kaffeesatz und verdorbene Lebensmittel und Milchtüten. Und über alldem lag der Geruch von fauligem Wasser.
    Sie lag in einem verlassenen Brunnen, und sie war nicht allein.
    Langsam wurde sie sich des Gefühls bewusst, dass sie beobachtet wurde. Mit hämmerndem Herzen drehte Gina im Zeitlupentempo den Kopf und fand sich Auge in Auge mit der größten Ratte wieder, die sie jemals in ihrem Leben gesehen hatte.

43
    »Kein Anzeichen für ein gewaltsames Eindringen. Kein Anzeichen für einen Kampf. Kein Anzeichen, dass sie in aller Eile gepackt hat – oder dass sie überhaupt gepackt hat«, berichtete Mendez Dixon.
    Sie hatten sich in Dixons Büro versammelt, um Informationen auszutauschen. Der Sheriff lehnte mit verschränkten Armen an seinem Schreibtisch. Seine Uniform war wie immer frisch gestärkt und gebügelt. Die einzigen Falten, die Vince sehen konnte, waren die tiefen Furchen auf seiner Stirn und um seine Mundwinkel.
    Der Umgang mit der Presse war anstrengend. Nicht nur in Kalifornien, im gesamten Land wurde der Fall inzwischen aufmerksam verfolgt. Die überregionale Presse hatte sich eingeschaltet. Die Geschichte von der schönen Künstlerin, die in dieser

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