Julia Extra Band 0294
1. KAPITEL
Erleichtert registrierte Romain de Valois, dass die Türen zum Ballsaal geschlossen waren und so als eine Art Schutzmauer zwischen ihm und der Welt dort drinnen fungierten.
Erleichtert? Schutzmauer?
Eine lächerliche und für ihn absolut untypische Empfindung! Irritiert schüttelte er den Kopf. Doch während Romain seine Schritte beschleunigte, als wolle er dem verstörenden Eindruck entfliehen, überfiel ihn ein noch viel seltsamerer Gedanke. Wie wäre es wohl, in diesem Moment jemanden an seiner Seite zu haben …?
Eine Frau … deren schmale Hand er umfasst hielt … die genau wusste, was in ihm vorging und in stummem Einverständnis zu ihm aufschaute. Vielleicht lächelte sie sogar und drückte ganz sacht seine Finger …
Direkt vor dem Ballsaal verharrte er kurz und schloss die Augen. Die gedämpften Töne des Orchesters, das Gemurmel und Gelächter der zahlreichen Gästen auf der anderen Seite der Doppelflügeltür legte sich wie ein schwerer Stein auf seine Brust.
Was, um alles in der Welt, war nur mit ihm los? Sein gewohntes Umfeld erschien ihm plötzlich wie ein Paralleluniversum. Dazu verlor er sich wie ein schwärmerischer Teenager in Tagträumen über eine Frau … obwohl er in dieser Richtung nie das Geringste vermisst hatte! Geschweige denn eine feste Partnerin !
Und selbst wenn dem so wäre, war hier ohnehin der völlig falsche Platz dafür. Er sollte sich lieber an einem Ort umschauen, wie in der kleinen französischen Stadt, in der er geboren worden war und die er vor sehr langer Zeit hinter sich gelassen hatte. Und zwar physisch, mental und emotional …
Energisch legte Romain seine Hand auf die Klinke, um den beunruhigenden Gedanken zu entfliehen und wieder in die reale Welt einzutauchen.
Noch während er die Tür öffnete, spürte er, wie ihm ein Schwall unverständlicher Worte entgegenschlug, unangenehme Hitze und ein nahezu erstickender Mix aus teurem Parfum und Aftershave drohten ihm fast den Atem zu nehmen. Er musste sich beherrschen, nicht auf der Stelle umzudrehen und zu verschwinden. Stattdessen hob er das markante Kinn und bahnte sich einen Weg durch die Massen, ohne auf das vernehmbare Raunen und die neugierigen Blicke zu reagieren, die ihm folgten.
Um seinen gut geschnittenen Mund lag ein noch zynischerer Zug als zuvor. Er nahm die Ballgäste nur aus dem Augenwinkel wahr und hielt stattdessen nach seiner Tante Ausschau.
Doch auch ohne genau hinzusehen wusste er, dass jedes der exquisiten Abendkleider und jeder elegante Smoking, die hier auf dem Parkett der Eitelkeiten zur Schau getragen wurden, aus einer seiner Kollektionen stammte. Ebenso wie die lächerlich überteuerte Kosmetik, die für den makellosen Teint der anwesenden Damen verantwortlich war, oder die funkelnden Juwelen an Hals und Ohren.
Sie wussten es, und er wusste es.
Seit er erkannt wurde, teilte sich die Menge vor Romain wie von Zauberhand, doch zum ersten Mal im Leben verspürte er darüber nicht die geringste Genugtuung, sondern eher einen Anflug von Widerwillen.
Er war noch relativ jung … reicher als jeder andere hier im Saal und konnte ohne falsche Bescheidenheit von sich behaupten, ausgesprochen attraktiv zu sein.
Und, das Wichtigste überhaupt … er war Single!
In New York war er deshalb genauso begehrt wie ein millionenschwerer Hauptgewinn. Deshalb machte Romain sich auch keine Illusionen darüber, was Frauen, wie diese, die gerade den Ballsaal bevölkerten, von ihm erhofften.
Bis vor Kurzem ein reizvolles Jagdgebiet, ließ ihn die heutige Parade der glamourösen und leicht zu habenden Schönheiten nicht nur kalt, sondern stieß ihn regelrecht ab.
Deshalb war die Erleichterung umso größer, als er endlich seine Tante erspähte. Ihr Anblick brachte ihm den Grund seiner Anwesenheit ins Gedächtnis zurück.
Er war einzig und allein hier, um eines der Profimodels zu begutachten, das nach Maud Harridays Meinung perfekt in eine der gigantischsten und lukrativsten Kampagnen passen sollte, die Romain je geplant hatte.
Da seine Tante, Inhaberin einer der wichtigsten Modelagenturen New Yorks, Audrey Murphy selbst unter Vertrag hatte, würde sie als integre Geschäftsfrau nie auf die Idee kommen, Druck auf ihn auszuüben. Doch aufgrund Mauds unschätzbarer Erfahrung im Model-Business wäre es sträflich fahrlässig, sich nicht zumindest eine eigene Meinung zu bilden, ehe er ablehnte.
Denn sein Urteil stand bereits fest. Egal, wie atemberaubend Audrey auch sein mochte, ihr Handicap bestand in
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