Topas
Market
Inn war ein
schuppenähnlich gebautes Gasthaus an einem ungewöhnlichen
Ort: unter einer Autostraße. Es paßte in seiner
Atmosphäre zu der Tradition dieser Gegend. Die beiden
Geheimdienstler studierten im Vorbeigehen die Gesichter der
Gäste. Die meisten Tische waren mit Kongreßabgeordneten
besetzt, die hier zu Mittag aßen.
Andre blickte
flüchtig nach den nackten Mädchen, mit denen die
Wände dekoriert waren, während Michael Bier und
Krabbenpasteten bestellte.
»Wie geht es
Liz?«
»Unzufrieden.
Sie hat eben eine Kampagne für die Anschaffung eines neuen
Wagens gestartet, den wir uns nicht leisten können. Nur ein
kleiner Hinweis ab und zu. Sie ist raffiniert.«
»Und
Nicole?«
»Wir sprechen
zur Zeit wenig, aber dafür laut. Nicole will, daß ich
meinen Dienst aufgebe, auf daß wir in Frieden alt werden und
etwas voneinander haben können. Verlangt sie zuviel,
Mike?«
»Wünscht
sie sich das wirklich?«
»Nein. Nicole
betrachtet die Vergangenheit immer als eine kostbare Erinnerung und
vergißt dabei, wie sie die Zeit haßte, als sie sie
erlebte. Wie unsere Reisen zu den Karibischen Inseln. Sie erinnerte
sich an die exotischen Sonnenuntergänge und an die
Liebesnächte. Die Armut, die Mücken und die
Wirbelstürme hat sie bequemerweise vergessen. Aber verdammt,
Mike. Vielleicht hat sie diesmal recht. Was habe ich aufzuweisen
nach zwanzig Jahren in diesem Beruf?«
»Magenbluten«,
antwortete Michael und spülte zwei Tabletten hinunter, um sein
Geschwür zu besänftigen. »Es wäre
scheußlich für uns, wenn Sie von Washington weggingen,
Andre. Mit einem Anhänger von Präsident La Croix auf
Ihrem Posten könnte die Zusammenarbeit völlig
abreißen. Sie wissen, was ich meine.«
»Darf ich mir
die Bemerkung erlauben, daß ich sehr neugierig bin, weshalb
Sie mich hierherbestellt haben?«
Die Senatsglocke
läutete dreimal, um anzuzeigen, daß in fünfzehn
Minuten eine Abstimmung stattfinden solle. Die anwesenden Senatoren
bezahlten schnell; draußen hatten die Fahrer in den geparkten
Wagen schon die Motoren angelassen und die Türen
geöffnet, damit es bei der Rückkehr zum Kapitol keine
Verzögerung gab.
Die Krabbenpasteten
kamen. Michael verzog das Gesicht, als Andre seine Pastete mit
einer französischen Soße übergoß.
»Nicole
fährt nach New York, um Michele zu besuchen und einige
Einkäufe für den Abend in der Botschaft zu machen. Ich
hatte ihr versprochen mitzufahren, bevor Sie anriefen. Was gibt es
so Wichtiges?«
»Sagt Ihnen der
Name Kuznetow etwas?«
»Nein. Wer ist
das?«
»Er behauptet,
Abteilungsleiter beim KGB zu sein.«
»Behauptet?«
»Überläufer. Wir
haben ihn schon seit Herbst. Er ist im Camp Patrick. Er möchte
mit Ihnen sprechen, hat Sie namentlich genannt.«
»Na, das ist
wirklich interessant.«
»Ich möchte
Sie um einen Gefallen bitten, Andre. Ich weiß, daß
es etwas
merkwürdig ist, aber teilen Sie Paris nichts von dem Mann mit!
Wenigstens nicht, bevor Sie mit ihm gesprochen haben.« Andre
überlegte kurz. »Meinetwegen«, sagte
er.
8
Henrietta Todd, die
Frau des Senators von Kansas, saß vor ihrem Komitee. Ihre
Brille war an einer silbernen Kette befestigt, die sich um ihren
dicken Hals und das gewaltige Doppelkinn schlang. Die
Präsidentin des Komitees für die jährliche
Gartenparty und das Konzert zugunsten koreanischer Waisenkinder
prüfte eingehend eine Liste mit Patenschaftskandidatinnen
für die kommende Veranstaltung.
»Nicole, meine
Liebste«, sagte sie, »meinen Sie wirklich, wir sollten
Molly Spearman auch dieses Jahr auf der Liste der Patinnen
stehenlassen?«
»Natürlich«,
antwortete Nicole kühl. »Die Sache wäre ohne Mollys
Namen doch unvollständig.«
»Ein
gesellschaftliches Ereignis ohne Molly Spearman scheint heutzutage
in Washington geradezu unmöglich zu sein. Vielleicht sollten
wir einmal den Anfang machen.«
»Oder uns
blamieren«, entgegnete Nicole.
Henrietta Todd seufzte
enttäuscht und setzte ein O.K. hinter Molly Spearmans Namen.
»Na schön.«
Die Anspielung war
deutlich. Dies war die dritte beziehungsreiche Erwähnung von
Molly Spearmans Namen an diesem Nachmittag. Die guten Ladys,
angeführt von Henrietta Todd, wollten sie mit ihren
Sticheleien auf den neuesten Klatsch aufmerksam machen, daß
Andre ein Verhältnis mit der berühmten Washingtoner
Gastgeberin habe.
Liz Nordstrom
beobachtete die Sache vom anderen Ende des Tisches und zuckte
jedesmal innerlich zusammen, wenn eine aus der Meute ihre
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