Tor der Daemmerung
fuhr er fort, »aber wir müssen ihn in die Chirurgie bringen. Einige seiner Verletzungen sind äußerst schwerwiegend, und wir wissen immer noch nicht genau, ob er gebissen wurde. Sie müssen ihn jetzt loslassen.«
Ich hatte zwar keine Ahnung, was eine »Chirurgie« sein sollte, aber ich wollte Zeke nicht loslassen. Ganz plötzlich hatte ich Angst, ihn niemals wiederzusehen, wenn er allein hinter dieser Tür verschwand. »Kann ich nicht bei ihm bleiben?«
»Es tut mir leid«, sagte der Mann wieder und blinzelte hinter seiner Brille. »Aber das ist nicht gestattet. Das wäre sowohl für Sie wie auch für den Patienten zu gefährlich. Aber ich versichere Ihnen, wir werden alles Menschenmögliche tun, um ihm zu helfen. Er ist bei uns in guten Händen, das kann ich Ihnen versprechen.«
Wieder blickte ich auf Zeke hinunter. Bleich und blutverschmiert lag er in diesem grellen Licht. Seine Augen waren geschlossen. Eine der Frauen hatte ihm eine Spritze gegeben, woraufhin er endgültig das Bewusstsein verloren hatte. Schlaff und leblos lagen seine Finger in meinen.
»Wenn Sie möchten, können Sie draußen warten.« Der Glatzkopf schenkte mir ein müdes, aber verständnisvolles Lächeln. »Sobald wir fertig sind, sagen wir Ihnen Bescheid, wie es ihm geht. Aber jetzt müssen Sie ihn wirklich loslassen.«
Ganz sanft nahm er mein Handgelenk und löste meine Finger von Zekes Hand. Im ersten Moment wehrte ich mich dagegen, gab ihn dann aber doch frei. Wieder lächelte der Mann und tätschelte meinen Arm.
Sie schoben Zeke davon, in einen engen, schwach beleuchteten Korridor hinein, wo sie hinter einer fensterlosen Metalltür verschwanden, auf der in leuchtend roten Buchstaben »Zutritt verboten« stand. Von dort aus schlug mir ein so heftiger Geruch von altem Blut entgegen, dass es mir fast den Magen umdrehte – einerseits vor Hunger, andererseits vor Angst.
Benommen blieb ich in dem Korridor stehen, starrte auf die verbotene Tür und spürte, wie die Zeit verrann. Wie es wohl den anderen gehen mochte? Würde Zeke in Ordnung kommen? Würde er es schaffen? Da war so viel Blut gewesen. Und wenn er gebissen worden war … wenn er sich in eines dieser Monster verwandelte …?
Mit einem heftigen Kopfschütteln vertrieb ich diese Gedanken. Ich ließ mich an der Wand hinuntergleiten, starrte an die Decke und spürte, wie mir die Augen zufielen.
Ich weiß nicht, ob du mich hören kannst , dachte ich unbestimmt in Richtung Himmel, oder ob du mich überhaupt wahrnimmst. Aber wenn du auch nur das geringste Gerechtigkeitsempfinden hast, darfst du Zeke da drin nicht sterben lassen. Nicht, wenn er schon so nah dran ist. Nicht, nachdem er alles geopfert hat, um die anderen lebend hierher zu bringen. Ich weiß, dass du wahrscheinlich ganz scharf darauf bist, ihn nach Hause zu holen, aber er wird hier unten noch gebraucht. Lass ihn nur noch ein wenig länger bleiben.
Alles blieb still. Ich ließ den Kopf hängen und meine Gedanken schweiften ab, zurück zu Kanin. Wo er wohl sein mochte? Ob er noch lebte und mich spüren konnte? Fühlte er, wo ich war, und interessierte es ihn überhaupt? Falls er noch ausreichend bei Verstand war für so etwas. Vielleicht bedauerte er es ja, dass einer seiner Abkömmlinge den anderen getötet hatte?
Und da spürte ich es. Ein starker Hass und eine unglaubliche Wut flackerten in mir auf, sodass ich den Kopf hochriss und er schmerzhaft gegen die Wand knallte. Meine Reißzähne begannen zu wachsen und mit einem leisen Knurren sah ich mich im Korridor um. Für den Bruchteil einer Sekunde hatte ich ihn gespürt, hatte sein Gesicht gesehen. Seine Wut gespürt, die direkt gegen mich gerichtet war. Nicht Kanin, nicht den Psychovampir.
Jackal. Er war am Leben.
Die Türen am Ende des Korridors öffneten sich. Ich sprang auf und blickte dem kahlköpfigen Mann entgegen, der erschöpft und mit blutverschmiertem Kittel auf mich zukam.
»Ihr Freund wird wieder gesund werden«, erklärte er mir lächelnd, woraufhin ich erleichtert an der Wand zusammensackte. »Er hat eine Menge Blut verloren, außerdem hat er eine leichte Gehirnerschütterung und an seinem Bein haben wir eine alte Schussverletzung gefunden, aber er ist nicht infiziert. Ich gehe davon aus, dass er sich vollständig erholen wird.«
»Kann ich zu ihm?«
»Er schläft gerade.« Der Glatzkopf sah mich streng an. »Sie können ihn später besuchen, aber ich denke, jetzt müssen Sie erst mal selbst genäht werden, junge Dame. Wenn ich mir den Zustand
Weitere Kostenlose Bücher