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Tore in der Wüste

Tore in der Wüste

Titel: Tore in der Wüste Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roger Zelazny
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hinunterblickend, zum ersten Mal, daß meine Turmspitzen immer näher zusammenrücken. Das Tempo der Veränderungen hat eine meßbare Geschwindi g keit erreicht. Alles dort unten wird immer hektischer und immer absurder. Sie sagten mir damals, wenn mir das ei n mal bewußt werde, solle ich den Brandy nicht vergessen. “
    „ Richtig. Das habe ich. Hier. “
    Ich drückte meine Zigarette aus. Ich erinnerte mich an den Brandy, trank einen Schluck.
    „ Wäre die Entfernung nicht so gewaltig “ , sagte er, „ dann könnte man der Zeit wirklich ins Antlitz speien. “ Er nahm die Flasche wieder an sich. „ Ja, all das sagte ich damals, und es stimmte auch. Für mich. “
    „ Und wohin führt es uns? “ fragte ich. „ Zum Gipfel einer nur schwer zu erklimmenden Treppe, von der wir wissen, daß schon andere oben sind. Sie betrachten uns als aufstr e bende Welt – als Barbaren. Wahrscheinlich haben sie sogar recht. Entziehen wir uns der Wahrheit nicht. Wir werden zum Gi p fel der Treppe geprügelt. Wenn ich den Job anne h me, dann werde ich das Ausstellungsstück sein, nicht Spe i cher. “
    „ Statistisch gesehen “ , sagte er, „ war es wenig wah r scheinlich, daß wir uns an der Spitze der Leiter befinden würden, ebenso wenig wie ganz unten. Ich glaubte zu jedem Zeitpunkt das, was ich gesagt habe, manches sogar heute noch. Aber Sie dürfen dabei die Umstände nicht vergessen. Ich sprach vom Ende einer Karriere, nicht vom Anfang, und ich sprach alle Gedanken aus, die einem bei einem solchen Anlaß durch den Kopf gehen. Mittlerweile habe ich neue Erkenntnisse gewonnen. Viele Erkenntnisse. Wie etwa Pr o fessor Kuhns Bemerkungen über die Struktur der industrie l len Revolution – eine gewaltige neue Idee taucht auf und zerschmettert das alte Weltbild vollkommen, danach muß alles wieder von Grund auf neu aufgebaut werden. Nach einer Weile sieht das Bild dann wieder ganz ordentlich aus, abgesehen von einigen Rissen und Sprüngen vielleicht. Und dann wirft wieder jemand einen Stein durchs Fenster. So hat sich das immer für uns abgespielt. In den letzten Jahren k a men die Steinwürfe nur immer häufiger. Wir haben kaum mehr Zeit zum Aufräumen, geschweige denn zum Neuau f bau. Das verwirrt den Intellekt natürlich. Was auch immer wir sind, wir unterscheiden uns von denen dort draußen. Das ist nur natürlich. Kein Mensch ist dem anderen gleich. Wenn es sonst auch keine Gründe gibt, nur deswegen haben wir etwas beizutragen. Das werden wir ganz einfach herausfi n den müssen. Wir müssen den gegenwärtigen Steinhagel überleben, denn andere haben das auch getan. Wenn wir das können, dann sind wir das Überleben wert. Es war nicht falsch von mir, der erste und Beste sein zu wollen, aber es war falsch, der einzige sein zu wollen. Das Dumme mit euch Anthropologen ist, bei allem Geschwätz über kulturellen Relativismus, daß ihr durch die Evolution selbst auf eine höhere Warte gehoben werdet und auf alle älteren Kulturen herunterblicken könnt. Nun wird man eben eine Weile auf un s h erunterblicken, auch auf unsere Anthropologen. Ich vermute, das hat Sie härter getroffen, als Sie zuzugeben b e reit sind, da es zudem um Ihr Spezialgebiet geht. Lernen Sie etwas daraus, mehr will ich nicht sagen. Wenigstens B e scheidenheit. Wir stehen an der Schwelle einer neuen R e naissance, wenn ich die Zeichen richtig deute. Aber eines Tages wird der Steinhagel aufhören, dann können wir mit dem Wiederaufbau beginnen. Wir werden wieder Gelege n heit bekommen, uns auf uns selbst zu besinnen. Wer wird uns Gesellschaft leisten, wenn dieser Tag gekommen ist? “
    Er schwieg. Dann: „ Sie sind gekommen, um bei mir Rat zu suchen “ , sagte er. „ Ich habe Ihnen vielleicht mehr erzählt, als Sie hören wollten. Aber Sie waren mir schon immer ein guter Freund und Kamerad. Daher trinke ich nun auf Sie und auf die Zeit, die an mir vorübergegangen ist. Klettern Sie weiter. Mehr sage ich nicht mehr. Klettern Sie immer weiter. Immer ein bißchen höher. “
    Ich genehmigte mir noch einen Schluck. Danach starrte ich hinüber zum Nachbargebäude. Ich zündete mir eine Z i garette an.
    „ Warum betrachten wir die Uhr? “ fragte ich.
    „ Wegen des mitternächtlichen Läutens. Es wird jeden Moment soweit sein, denke ich. “
    „ Die Moral präsentiert sich sehr drastisch. Außerdem ist das Timing perfekt. “
    Er kicherte.
    „ Ich habe nichts geplant, Fred “ , versicherte er. „ Zudem habe ich Ihnen meine Moral bereits mitgeteilt.

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