Der Keller
1.
„ Pass auf mit der Kiste“, sagte Linda Bonfield zu ihrem Mann Roger, „da drin ist das gute Geschirr von meiner Großmutter.“
„ Na dann geh mir aus dem Weg bevor ich über deine Füße stolpere“, keuchte Roger und zwängte sich durch den Torbogen. Schweiß lief ihm in Strömen von Stirn und Schläfen und an seinem Hals zeichneten sich dicke Sehnen ab.
Er durchquerte das Wohnzimmer, betrat die Küche und stellte die schwere Umzugskiste auf die Anrichte. Dann legte er die Hände in die Hüfte und streckte sich. Das Hemd war ihm aus der Hose gerutscht und offenbarte einen Bauch, der so weiß war, wie der eines Fisches. Es war eine der vielen Berufskrankheiten junger Rechtsanwälte.
„ Mein Rücken bringt mich um“, sagte er und lehnte sich gegen die Anrichte, die mit allerlei Gegenständen und Krimskrams voll gestellt war. Er wusste, dass es noch ein ordentliches Stück Arbeit werden würde, bis der ganze restliche Krempel im Haus verstaut war. Er schreckte vor diesem Gedanken zurück, wie er davor zurückgeschreckt wäre einem Leprakranken einen Zungenkuss zu geben. Der Umzug hatte ihn mehr Nerven gekostet als er dafür eingeplant hatte. Inzwischen sehnte er sich nur noch danach die Türe zuzuschlagen und den halbvollen Möbelwagen ein für allemal hinter sich zu lassen.
Es waren die Rückenschmerzen, die ihn wieder zurück in die Realität holten.
„ Wir sind doch schon fast fertig“, sagte Linda und strich ihm mit der Hand das nasse Haar. Seine Stirn glühte vor Anstrengung und seine Wangen waren so rot wie die eines verlegenen Teenagers.
„ Außerdem musst du es auch mal von der positiven Seite betrachten, Schatz. Das ist wahrscheinlich der letzte Umzug in unserem Leben“, sagte sie und gab ihm einen Kuss.
„ Das will ich auch hoffen. Das schwerste Zeug ist jetzt im Haus und den Rest können wir dann später zusammen rein tragen“, sagte Roger und nahm sich ein Glas aus einer der Umzugskisten. Er ging zur Spüle und ließ es mit Wasser voll laufen. Dann setze er an und trank es in einem einzigen Zug leer. Dabei machte er die gleichen Geräusche wie ein Pferd an der Tränke an einem heißen Tag.
Er verkniff sich einen gewaltigen Rülpser und machte sich wieder an die Arbeit. Es war gerade sechs Uhr abends und die Sommersonne ging in einem Meer von Rottönen über Rockwell unter.
2.
Das neue Haus der Bonfields stand auf einer Anhöhe, die nach Osten hin von einem Kiefernwald begrenzt wurde. Im Sommer drang der kühle Atem des Waldes ins Gebäude und verlieh ihm eine angenehme Atmosphäre. Im Winter hingegen musste die steile Auffahrt gut in Schuss gehalten werden, damit sie auch bei starkem Schneefall befahrbar blieb. So hatte es ihnen zumindest der Immobilienmakler erklärt, der den Bonfields das Haus gezeigt hatte. Keine zwei Wochen nach der ersten Besichtigung, hatte Roger seine Unterschrift unter den Kaufvertrag gesetzt.
Obwohl er sich kaum mit Immobilien auskannte, war ihm die Entscheidung das Haus zu kaufen leicht gefallen.
In Wahrheit aber hatte ihm Linda die Entscheidung bezüglich des Hauses abgenommen. Sie wollte das Haus unbedingt haben und sich gegen diesen Willen aufzulehnen wäre aus Rogers Sicht genauso klug gewesen, wie mit Honig eingeschmiert in ein Bärengehege zu steigen.
Linda wusste das, er wusste das und was das wichtigste war: Auch der Immobilienmakler hatte es von Anfang an gewusst. Während der gesamten Besichtigung hatte er sich nur mit Linda unterhalten. Er hatte ihr nacheinander die großzügig geschnittenen Räume gezeigt, den Whirlpool im ersten Stock und die tollen Küchengeräte. Roger hingegen hatte er die ganze Zeit über nur aus den Augenwinkeln gemustert wie einen streunenden Hund, von dem man nicht so recht weiß, ob er vielleicht die Tollwut hat.
Der Makler hatte natürlich gewusst, dass zwar die Männer in der Regel die Häuser kauften, es aber dennoch immer die Frauen waren, die sie aussuchten. Natürlich hatte er es gewusst. Immerhin war das eine der Säulen auf der die westliche Zivilisation ruhte, dachte Roger. Es war beinahe so, als wäre diese Weisheit in den Steintafeln gehämmert gewesen, die Moses vom Berg Sinai zu seinen Jüngern brachte.
Du sollst deinem Weib die Wahl der Behausung überlassen!
Nach dem ersten Umzugsstress und nachdem sich sein Rücken langsam erholt hatte, gestand sich auch Roger ein, dass auch ihm das Haus richtig gefiel. Linda hatte definitiv die richtige Entscheidung getroffen.
Roger mochte das große
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