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Tore in der Wüste

Tore in der Wüste

Titel: Tore in der Wüste Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roger Zelazny
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Alkaid, Mizar, Alioth, Megrez, Phecda, Merak und Dubhe … Sie waren schon da. Sie kennen sie. Vielleicht wünsche ich mir, ganz tief drinnen, wir wären die einzigen im Kosmos – um das alles für uns selbst zu haben. Oder alle Außerirdischen, denen wir begegnen, würden uns in allem ein klein wenig hinterherhinken. Stolz, selbstsüchtig, selbstgefällig … sicher. Nun, aber leider sind wir die Hinterwäldler. Gott stehe uns bei! Ah, noch genug da, um auf unser Wohl zu trinken. Gut! Na also! Ich spucke der Zeit ins Gesicht, weil sie mich so hintergangen hat!“
    Mir fiel nichts ein, was ich darauf hätte sagen können, also sagte ich auch nichts. Ein Teil von mir wollte ihm zustimmen, ein anderer hingegen nicht. Und ein großer Teil von mir wünschte sich, er hätte den Brandy nicht getrunken.
    Nach einer Weile sagte er: „Ich werde heute nacht nicht mehr weiterklettern.“ Ich hielt das für eine gute Idee. Auch ich hatte mich gegen eine weitere Betätigung entschieden, daher kreisten und trudelten wir abwärts, immer tiefer und tiefer, bis ich den guten Mann zu Hause abgeliefert hatte.
     
    Scherben und Fragmente. Fragmente …
    Kurz bevor ich heimkam, erwischte ich noch eine Ausgabe der Spätnachrichten. Eine nebulöse Meldung drehte sich um einen gewissen Paul Byler, Professor der Geologie, der am frühen Abend von Vandalen im Central Park ermordet worden war. Vandalen, die ihm, zusätzlich zu dem ganzen Geld, das er bei sich gehabt haben mochte, auch noch Herz, Leber, Nieren und die Lunge herausgerissen hatten.
    Ein Aufwallen jenes dunklen Teiches direkt über dem Ansatz des Rückgrates überflutete mich später mit Träumen, welche, flüchtig wie die Wogen der See, die Tiefen meines Bewußtseins kräuselten und wieder verwehten, abgesehen von dem kinästhetischen/synästhetischen „KANNST DU MICH FÜHLEN, LED?“, das eine unermeßliche Zeitspanne länger als alles andere vorgehalten haben muß, denn viel später fiel es mir bei der morgendlichen Tasse Kaffee wieder ein, ein vorüberrauschender Farbenstrom in meinem Gedächtnis.

 
3
     
    Sonnenlicht, Wassergischt, Finsternis. Sternentanz.
    Phaetons stabiler goldener Cadillac explodierte, wo zu hören kein Ohr vorhanden war, lag brennend, ging aus. Wie ich.
    Jedenfalls war es Nacht, als ich wieder zu mir kam, und ich war ein Wrack.
    So daliegend, gefesselt mit Strohschnüren, mit gespreizten Gliedmaßen, Sand und Kies als Matratze wie auch als Kissen, Staub in Mund, Nase, Augen und Ohren, von Ungeziefer geplagt, durstig, zerschlagen, hungrig und zitternd, dachte ich über die Worte meines früheren Studienberaters Merimee nach: „Sie sind ein lebendes Beispiel für die Absurdität der Dinge.“
    Unnötig zu erwähnen, daß sein Spezialgebiet der französische Roman Mitte des zwanzigsten Jahrhunderts war. Noch immer, noch immer durchbohrten mich diese hinter einer Brille abgefeuerten Blicke wie Speere. Ungeachtet seines Abschieds von der Universität, einem skandalumwölkten Abschied, in den ein Mädchen, ein Zwerg und ein Esel verwickelt waren – oder vielleicht gerade deswegen – hat Merimee sich einen festen Platz in meinem privaten Kosmos erobert, und seine Worte tauchen oftmals wieder in meinem Gedächtnis auf, wenn auch in anderem Zusammenhang als in meinem Aufnahmegespräch. Der heiße Sand hatte sie mir schon den ganzen Nachmittag zugeschrien, dann hatte die kühle Brise der Nacht sie mir zugeflüstert, durch die Öffnungen meiner Ohren: „Sie sind ein lebendes Beispiel für die Absurdität der Dinge.“
    Offen für eine Vielzahl von Interpretationen, wenn man genauer darüber nachdenkt, und ich hatte jede Menge Zeit, dies zu tun. Einerseits konnte ich mich vielleicht für eine Möglichkeit entscheiden. Vielleicht für das Leben. Oder, andererseits, vielleicht auch für das Absurde.
    Oh, ja. Hände …
    Ich versuchte, meine Finger zu strecken, war aber nicht sicher, ob sie gehorchten. Konnte sein, daß sie überhaupt nicht mehr vorhanden waren und ich lediglich einen schwachen Nervenimpuls spürte. Einen Augenblick dachte ich an Wundbrand, falls sie noch da sein sollten.
    Verdammt. Und noch mal verdammt. Frustrierende Sache.
    Das Semester hatte begonnen, und ich war abgehauen. Nachdem ich Vorkehrungen getroffen hatte, all meine Post an meinen Partner Ralph zu schicken, hatte ich mich westwärts aufgemacht, nach San Francisco, Honolulu, Tokio. Einige friedliche Wochen waren verstrichen. Dann ein kurzer Aufenthalt in Sydney. Gerade lange genug,

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