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Tore in der Wüste

Tore in der Wüste

Titel: Tore in der Wüste Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roger Zelazny
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dem es hätte auffallen können, wenn ich zum nächsten Gebäude geklettert wäre und dann auf und davon. Ich hatte augenblicklich natürlich nicht den geringsten Wunsch, das zu tun, aber ich fragte mich doch, ob der Esel kein falscher Fuffziger war, eine Art unnötiger Panikmacher.
    Das Fenster … Mein Geist glitt zurück, zu jenem schwarzen Rechteck, dem Laut des Schusses, zu dem splitternden Glas. Ich hatte mir beim Sprung meine Jacke aufgeschlitzt und mich an der Schulter verletzt. Ich rollte mich vornüber, kam auf die Beine, rannte sofort geduckt los …
    Eine Stunde später befand ich mich in einer Bar, um dort den zweiten Teil meiner Instruktionen auszuführen. Das tat ich allerdings nicht zu schnell, da das Gefühl, ein Ausreißer zu sein, noch sehr frisch war und ich meine fünf Sinne lange genug beisammen behalten wollte, um mich emotional wieder aufrichten zu können. Also bestellte ich konsequenterweise ein Bier und nippte langsam daran.
    Leichte Windstöße fegten Papierschnitzel die Straße entlang. Dazwischen mischten sich gelegentlich Schneeflocken, die überall, wo sie liegenblieben, feuchte Flecken hinterließen. Später wurde es dann geringfügig wärmer, Regentropfen klatschten an die Scheiben und flossen in kleinen Bächlein wieder ab.
    Der Wind strich heulend an der Tür vorbei, selbst mit meiner Jacke war mir kalt. Daher ging ich, zehn bis fünfzehn Minuten später, als ich mein Bier ausgetrunken hatte, hinaus, um mich nach einer wärmeren Bar umzusehen. Das redete ich mir vordergründig selbst ein, in Wirklichkeit war der Fluchtimpuls noch immer sehr stark vorherrschend.
    Innerhalb der nächsten Stunde besuchte ich drei weitere Bars, in jeder trank ich ein Bier, dann ging ich weiter. Unterwegs ging ich schließlich in ein Geschäft und kaufte mir eine Flasche, da es schon spät wurde und ich mich zudem nicht sinnlos betrunken in der Öffentlichkeit sehen lassen wollte. Mittlerweile machte ich mir auch Gedanken darüber, wo ich die Nacht verbringen sollte. Ich beschloß, mir ein Taxi zu nehmen, mich von dem Fahrer in irgendein Hotel bringen zu lassen und dort den Prozeß des Betrinkens zu Ende zu führen. Es hatte keinen Zweck, über den Sinn dieser Maßnahme nachzudenken, und auch keinen, sie mit unnötiger Hast auszuführen. Im Augenblick wollte ich noch Menschen um mich haben, mich am Klang ihrer Stimmen laben. Während meine Erinnerungen an Australien schon verblaßt und sehr verschwommen waren, erinnerte ich mich an das reißende Geräusch meiner Jacke und an das Klirren der Scheibe noch sehr gut. Der Gedanke, daß jemand auf mich geschossen hatte, behagte mir überhaupt nicht.
    Mit der fünften Bar, in die ich ging, hatte ich einen Glücksgriff getan. Drei oder vier Stufen unterhalb der Ebene der Straße, warm, sehr gemütlich und nur spärlich beleuchtet; es waren genügend Leute anwesend, um meinem Kontaktbedürfnis genüge zu tun, aber nicht so viele, daß ich keinen einsamen Tisch in einer Ecke mehr gefunden hätte. Ich zog meine Jacke aus und zündete eine Zigarette an. Hier wollte ich eine Weile bleiben.
    So kam es, daß er mich hier fand, vielleicht eine halbe Stunde später.
    Ich hatte mich schon sichtlich entspannt, hatte die turbulenten Ereignisse fast schon vergessen und erfreute mich an der Wärme und der Gemütlichkeit. Ich lauschte dem Heulen des Windes draußen, als eine vorübergehende Gestalt stehenblieb, sich umwandte und dann in dem Stuhl mir gegenüber Platz nahm.
    Ich sah noch nicht einmal auf. Aus dem Augenwinkel hatte ich gesehen, daß es kein Bulle war, und ich fühlte mich davon abgesehen auch nicht in der Stimmung, um mit irgendeiner, wahrscheinlich fragwürdigen Existenz ein Gespräch anzufangen.
    Fast eine halbe Minute saßen wir so da, schweigend, unbeweglich. Dann wurde etwas auf die Tischplatte geknallt, und ich sah automatisch hin.
    Drei Fotos lagen vor mir, eindeutige Fotos, eine Blonde und zwei Brünette.
    „Würden Sie sich nicht gerne mit so etwas aufwärmen, in einer so kalten Nacht wie heute?“ fragte eine Stimme, die meinen Verstand wachsam werden und meine Augen um fünfundvierzig Grad in die Höhe blicken ließ.
    „Doktor Merimee!“ sagte ich.
    „Psst!“ zischte er. „Betrachten Sie weiter die Bilder.“
    Derselbe alte Trenchcoat, verschlissen und abgewetzt … Dieselbe lange Zigarettenspitze … Unglaublich scharfe Augen hinter einer Brille, bei der ich noch immer den Eindruck hatte, in ein Aquarium zu blicken. Wie viele Jahre war es

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