Tore nach Thulien 1 : Dunkle Gassen (German Edition)
So etwas hatte es noch nie gegeben und Taris sah sich neben seiner persönlichen Haltung in dieser Angelegenheit auch dazu verpflichtet, die Ermittlungen selbst in die Hand zu nehmen.
Tristan konnte das sehr gut verstehen, aber dennoch wurmte es ihn auch. Der Einbruch mochte ein Angriff auf die Stadtwache gewesen sein und damit auch auf den Herzog, doch in allererster Linie war es ein Akt der Sabotage auf das ihm anvertraute Siedlungsprojekt. Wütend und von der verständnisvollen Art des Hauptmanns nur wenig besänftigt, hatte er sich auf den Weg zur Dunklen Gasse gemacht. Nicht jedoch ohne Wachmann Cutrig vorher noch einige Instruktionen bezüglich der Reise zu geben. Von heute an würde eine Wache rund um die Uhr die Vorratskammer bewachen und eine weitere hatte ein Auge auf den Wagen und die Handwerker. Cutrig stand zwar auf Anordnung des Hauptmanns Tristan zur Verfügung, doch dieser hatte ihm keine Anweisungen gegeben, wie er Cutrig einsetzen sollte. Und wenn es auch nicht im Sinne von Taris war, so musste er nun damit leben, dass Cutrig sich ab heute um die Sicherheit der Reisevorbereitungen kümmern würde und Tristan allein dem Mord in Sieben Schänken nachging. Viel Zeit würde er damit aber sicher nicht verschwenden.
>> Dort hinten habe ich die Leiche gefunden << , erklärte die Nachtwache Tristan.
>> Zu welcher Stunde? << Tristan eilte voran und suchte dabei ungeduldig den Blick seines Begleiters.
>> Schwer zu sagen. Na, ne knappe Stunde nach Mitternacht würd’ ich meinen. Der Körper war noch warm und das Blut auf der Gasse frisch. <<
Dann ist der Mord also unmittelbar vor dem Auftauchen der Wache passiert , schlussfolgerte Tristan nachdenklich. Ein paar Schritte später hatte er den Tatort erreicht. Der Blutfleck war noch zu sehen, die Leiche hingegen befand sich schon in der Garnison. >> Das ist doch der Hintereingang zum Goldenen Erker , oder nicht? <<
Die Wache nickte, als der Leutnant auf eine windschiefe Tür an der Seite der Gasse deutete. Tristan kannte diese Spelunke. Ein Ort für Schurken und Halunken, Herumtreiber und Tunichtgute. Sieben Schänken war schon kein angenehmer Stadtteil, doch die Gegend um den Goldenen Erker herum war berüchtigt. Schlägereien oder gar Schlimmeres standen hier beinahe auf der Tagesordnung. Vermutlich ging das Opfer der letzten Nacht auch auf das Konto einer dieser Schlägereien. Oft blieb es dabei ja nicht bei den Fäusten. Die Hemmschwelle war gering und häufig, und vor allem schnell, wurden Messer oder Dolche mit ins Spiel gebracht. Für Tristan war der Fall klar. Zunächst ist jemand wegen Geld oder womöglich einer Frau in der Kaschemme nebenan aneinander geraten. Die Auseinandersetzung wurde nach draußen verlegt, und aus der Schlägerei wurde schnell bitterer Ernst. Todesfälle dieser Art gab es immer mal wieder in Leuenburg, und oft blieb die Suche nach den Tätern erfolglos.
Er hatte genug gesehen. Am liebsten wäre er wieder zurück in die Garnison gegangen, doch eine Mischung aus Selbstdisziplin und schlechtem Gewissen brachten ihn zu dem Entschluss, wenigstens noch einen Blick in den Goldenen Erker zu werfen. Taris` Befehl war eindeutig gewesen und Tristan wollte ihn nicht allzu stiefmütterlich behandeln. Ein kurzer Abstecher in die Spelunke würde sicher nicht viel Zeit kosten. Und wenn es so laufen sollte wie er erwartete, dann würde er sowieso nur zugeknöpfte, wortkarge Gestalten vorfinden.
Selbst am Tag war es im Goldenen Erker trüb. Die Schankstube war nahezu leer. Nur am Tisch beim Tresen saß ein großgewachsener Mann und aß. Der Wirt war nicht zu sehen. Eine ältere Frau, trotz ihres Alters nur spärlich bekleidet, ging mit einem zerfransten Reisigbesen halbherzig über den Boden. Alles in allem ein trostloser Anblick. Tristan wollte gerade wieder kehrtmachen, als sein Blick nochmal auf den großen Mann am Tisch fiel. Erst jetzt erkannte er dessen gewaltige Körperausmaße. In der Höhe gut und gerne zwei Schritt mutmaßte Tristan, und Arme so dick wie die Oberschenkel einer jungen Frau. Einem inneren Impuls folgend näherte er sich dem Tisch. Er wusste nicht warum, doch etwas hatte sein Interesse an diesem Kerl geweckt.
Käse, etwas Honig und trockenes Brot lagen vor ihm auf einem Holzbrett, daneben ein großer Krug mit Wasser. Das Frühstück war karg, doch nicht ungewöhnlich. Viele Leuenburger aßen vormittags ähnlich,
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