Tortenschlacht
ganz gut erhalten.« Er küsste sie auf die Stirn. »Wir kriegen das schon hin.«
»Wir?«, strahlte Melanie.
»Weißt ja, wo ich zu finden bin«, wich Polzin aus.
46 FÜR DEN ABEND hatten die Polizeipräsidien in Ost und West zu gemeinsamen Einheitsfeiern geladen. So konnten sich die Kollegen in gelöster Atmosphäre einmal näher kennenlernen und »gemeinsame Leidenschaften entdecken«, womit allerdings eher die Hobbys gemeint waren. Zumindest die Modelleisenbahnbauer hatten sich schon gefunden.
Noch am Nachmittag hatte sich Kriminalrat Egon Beylich einen heftigen Wortwechsel mit dem Volkspolizeidirektor geliefert, der nicht verstehen wollte, warum sich Beylich so standhaft weigerte, in Sachen Hausbesetzungen am Helmholtzplatz zu ermitteln. Aber schließlich blieb auch die Bereitschaftspolizei in ihren Standorten. Dafür liefen in den Westberliner Polizeiquartieren Räumpanzer und Wasserwerfer warm. Nur noch wenige Stunden, dann würde auch im Osten die Berliner Linie gegenüber den Hausbesetzungen gelten, und die Kollegen dort waren mit derartigen Räumungen auch viel erfahrener.
Umso skeptischer sah Beylich den vorfahrenden dunklen Dienstlimousinen aus dem Westen vor dem Ostberliner Polizeipräsidium in der Keibelstraße zu. Für ihn das Finale einer Invasion, die er nicht mehr aufhalten konnte. Entsprechend kühl empfing er sein Westberliner Pendant Kriminaloberrat Edmund Palitzsch, der sich ebenso reserviert zeigte. Da standen sich zwei alte Klassenfeinde gegenüber, und es bedurfte Unmengen von Wodka, um die kalten, kriegerischen Herzen aufzuwärmen und miteinander zu versöhnen.
Als Hünerbein und ich wegen der umfangreichen Straßensperrungen im Bereich der Innenstadt erst kurz vor Mitternacht in der Keibelstraße eintreffen, haben Palitzsch und Beylich bereits Waffenstillstand geschlossen und diskutieren leidenschaftlich den Lauf der Dinge.
»Eins muss man euch Ossis lassen«, lallt Palitzsch tiefsinnig, »ihr seid hart im Nehmen. Wir hatten den Marshallplan – ihr die Russen! Wir haben die reichen Amerikaner als Freunde, ihr die armen Sowjets, die außer Atombomben selbst nix haben … Beylich, ihr wart immer auf der beschisseneren Seite des Lebens. Aber das …« Palitzsch hebt den Zeigefinger und hickst. »… das ist jetzt Gott sei Dank vorbei.«
»Trotzdem war unsere DDR nicht schlecht«, entgegnet Beylich mit alkoholseliger Leidenschaft in der Stimme, »wir hatten höhere Ziele, Idealismus, wir kämpften für eine bessere, eine gerechtere Welt – was war denn bei euch? Außer Nutella und Mercedes? – Nüscht! Wir hatten zwar nur Trabis und Gurken, dafür aber Träume!« Er hebt kämpferisch die Faust. »Und die, Genosse Palitzsch, kann uns niemand mehr nehmen!«
»’n Abend!«
Die beiden Kriminalräte sehen glasig auf, und natürlich mache ich mit meinem weißen Kopfverband ordentlich Eindruck.
»Ah«, ruft Palitzsch stolz, »meine Männer! Sehen Sie nur, Beylich! Kommen direkt von der Front!«
»Das war der harte Osten«, erwidert Beylich und starrt mich mühsam an. »Hat man Sie endlich mal ordentlich vertrimmt, Knoop? Geschieht Ihnen recht.«
»Wir haben den Fall gelöst«, erkläre ich.
»Welchen Fall?« Beylich winkt ab. »Den hab ich ganz allein gelöst. Das Haus hatte einen Kurzschluss. Deshalb hat’s da gebrannt.«
»Wir meinen eher den Fall um Werner von Lahn und Jan Frido Arndt«, sagt Hünerbein.
»Hochinteressant«, findet Palitzsch das, »lassense mal hören!«
»Werner von Lahn war offenbar in den sechziger Jahren in eine Affäre verwickelt«, drückt sich Hünerbein diplomatisch aus, »über die die Ostberliner Staatssicherheit Unterlagen gefertigt hat. Diese Unterlagen ließ von Lahn durch einen Mittelsmann Anfang des Jahres aus der Stasizentrale entwenden. Was er nicht ahnen konnte: Jemand hatte sich von den Dokumenten Kopien gemacht, mit denen von Lahn dann erpresst wurde.«
»Wieso«, lallt Palitzsch, »was steht denn drin in diesen Kopien – beziehungsweise in den Originalen?«
»Er wird da«, drückt sich Hünerbein um die allzu harte Wahrheit herum, »allem Anschein nach mit einem Mord an einem jungen Mädchen in Verbindung gebracht.«
»Ich sag’s immer«, Palitzsch hebt die Hände, »unsere Politiker haben alle Dreck am Stecken!«
»Besonders Ihre im Westen«, nickt Beylich.
»Offenbar vermutete Lahn, da er von der Existenz der Kopien nicht wissen konnte, zunächst, von Jan Fridolin Arndt erpresst zu werden, der ebenfalls in diesen Mordfall
Weitere Kostenlose Bücher