Tortenschlacht
Volkswirtschaft wird reprivatisiert!«
»Das kann Siggi nicht gefallen«, konstatiere ich.
»Siggi war Stasioffizier«, erwidert Monika und zündet sich die Zigarette an. »Der hat gelernt, sich den Umständen anzupassen. Da werden jetzt schnell noch Nägel mit Köpfen gemacht. Alles klar?«
Nee, denke ich, aber Moni erklärt es mir.
»Bevor die alten Eigentümer ab dem dritten Oktober zum Zuge kommen, werden Häuser und privat genutzte Grundstücke noch schnell von Staats wegen verhökert. Zu einem Spottpreis und vorrangig an jene, die sie heute nutzen und bewohnen. Und genau da kommen wir ins Spiel.«
Wir, denke ich? So schnell hat sich Monika Siggis Spiel zu eigen gemacht? Das klingt doch schon im Ansatz dubios. Aber warum erzählt sie mir das dann?
»Was habt ihr vor?«, frage ich und schenke Wodka nach.
»Noch immer strömen zehntausende von Menschen in den Westen ab! Die denken nicht daran, ihre alten Ostbruchbuden zu kaufen, die wollen nur noch weg!« Monika trinkt von ihrem Wodka und raucht. »Auf diese Leute gehen wir zu, organisieren den Umzug und einen netten Job im Westen und genug Geld, um die zurückgebliebenen Häuser trotzdem zu kaufen. Gegen eine diskrete vertragliche Vereinbarung.«
Die Frage ist, woher Siggi die Mittel dafür hat, überlege ich und habe Mühe, mein Erstaunen zu verbergen.
»Und wenn alles vorbei ist«, frage ich so gelassen wie möglich, »werden euch die Häuser übertragen und die sogenannten Alteigentümer gehen leer aus?«
»Nicht unbedingt.« Monika grinst bauernschlau. »Wenn sie ihre zu DDR -Zeiten enteigneten Grundstücke unbedingt wiederhaben wollen, können sie die nach dem dritten Oktober bei uns erwerben. Gegen einen kleinen Aufpreis, versteht sich.«
Ich bin baff. »Ist das nicht illegal?«
»Absolut nicht«, Monika winkt abgeklärt ab, »heutzutage ist alles legal! Wir bekommen sogar noch die Investitionszulagen des Bundes für Unternehmen, die sich im Beitrittsgebiet wirtschaftlich engagieren.«
»Sauber«, sage ich. Die haben die Marktwirtschaft schnell gelernt. »Und du spielst den Bauernfänger?«
»Wieso Bauernfänger?« Monika reicht mir eine Visitenkarte. »Derzeit rennen uns die Leute die Bude ein. Ich soll mich um sie kümmern.«
Und ihnen Häuser und Grundstücke abnehmen, denke ich. Für eine zweite Enteignung. Kaum vorstellbar, dass Monika dabei nichts Anrüchiges findet.
Ich sehe mir die Visitenkarte an. DOMIZIL Immobiliengesellschaft mbH steht drauf, Monika Droyßig – Projektmanagement. Na, das klingt ja toll! Ihren Sitz hat die DOMIZIL in der »… Nürnberger Straße«, lese ich und schaue auf.
»Mhm.« Monika nickt stolz. »Das ist am Wittenbergplatz.«
»Das ist vor allem in unserem schönen Westberlin«, stelle ich fest.
»West – Ost«, Monika zuckt mit den Schultern. »Was spielt das heute noch für eine Rolle?«
Der Osten spielt offenbar keine mehr. Ich lehne mich mit verschränkten Armen zurück. »Dann ziehst du jetzt wieder bei Siggi ein?«
»Quatsch!« Monika winkt heftig ab. »Das hatten wir schon. Nein, ich habe mir gerade eine Wohnung in der Akazienstraße angeguckt. Ist ganz hier in der Nähe.«
»Ich weiß.« Ist schließlich mein Kiez.
»Drei Zimmer, Küche, Bad – falls Melanie wieder mal bei mir wohnen will«, setzt Monika hinzu und drückt ihre Zigarette aus. »War nicht billig, aber ich habe trotzdem unterschrieben. Morgen kommen meine Sachen. Viel ist es ja nicht.«
»Und die Miete zahlt die Stasi«, stelle ich fest, doch Monika widerspricht sofort:
»Die Miete ist Teil meines Gehaltes.« Sie hebt die Arme. »Herrgott, Dieter! Was willst du?«
»Nichts«, beteuere ich nicht sehr überzeugend, denn die Eifersucht nagt an mir. »Nur war dir früher deine Unabhängigkeit immer sehr wichtig.«
»Ich bin unabhängig! Es war meine freie Entscheidung!«
»Und die wirft dich in Siggis Arme zurück.« Ich rege mich auf. »Ausgerechnet! Hast du vergessen, was er dir angetan hat? Wie schwierig es war, ihn loszuwerden?«
»Was weißt du schon davon?« Monika ist aufgesprungen. »Du warst nicht dabei! Ich muss schließlich sehen, wo ich bleibe.«
Herrgott, ich kann nicht glauben, dass sie so käuflich ist. »Das kann nicht wahr sein«, rufe ich, »der Kerl lockt mit Geld und dickem BMW – und schon schmeißt du alle deine Grundsätze über den Haufen! Das kann echt nicht wahr sein!«
»Wieso nicht?« Sie sieht mich herausfordernd an. »Funktioniert so nicht der Westen? Wir müssen uns alle anpassen,
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