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Tortenschlacht

Tortenschlacht

Titel: Tortenschlacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver G Wachlin
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umarmt mich. »Ja, Siggi ist ein Arschloch, aber er hat mir einen Job angeboten.« Sie gibt mir einen Kuss und riecht nach Jil Sander. »Schön dich zu sehen. Ist Melanie auch da?«
    Diese Frage habe ich befürchtet. Was antworten? Dass unser Kind vermisst wird? Womöglich Opfer der Flammen geworden ist, in einem Haus, das … das …
    »N-nein«, stammele ich, »ich weiß nicht, wo sie steckt.«
    »Wahrscheinlich will sie nicht nass werden«, vermutet Monika, »und wartet, bis der Regen nachlässt.« Sie lacht und wirft sich übermütig auf meine Couch. »Da kann sie lange warten! Nach uns die Sintflut!«
    Ich lächle bemüht. So flott und aufgekratzt habe ich Monika schon lange nicht mehr erlebt. Dabei hat sie schon kurz nach der Währungsunion ihren Job verloren. Saure Gurken, made in Görlitz, werden heute von Maschinen eingelegt, was sicher gut ist für Monikas Hände, nicht aber fürs Portemonnaie. Es gibt keine Arbeit mehr in Görlitz, alles, was von Menschen gemacht werden muss, übernehmen die Polen mit ihren niedrigen Löhnen. Und dann drohte Monika auch noch der Rauswurf aus ihrer kleinen Wohnung, weil das Haus kernsaniert werden soll. Das war zumindest mein letzter Stand. Er kann nicht mehr aktuell sein, denn Monika wirkt wie einem Modemagazin entsprungen.
    »Siggi hat dir einen Job angeboten?«, frage ich, um das Thema von Melanie wegzubekommen. »Bist du deswegen in Berlin?«
    »Vielleicht war es auch die Sehnsucht nach dir«, lacht Monika, »nach meiner Tochter und einem guten Drink!«
    »Wodka«, schlage ich vor, damit ich nicht wechseln muss.
    »Wodka ist in Ordnung«, lächelt Monika und räkelt sich auf meiner Couch wie eine Katze. »Obwohl Sekt angemessener wäre. Wir haben schließlich was zu feiern!«
    »So?«, frage ich, und allmählich geht mir ihr Überschwang auf die Nerven, »was feiern wir denn?«
    »Dreitausend netto im Monat, einen BMW als Dienstwagen und eine Wohnung in Berlin!« Monika setzt sich gerade auf, hebt die Hände und grinst mich glücklich an. »Ist das zu fassen?«
    Nee, denke ich und schiebe ihr ein Glas mit Wodka über den Couchtisch. Soweit ich das mitbekommen habe, hat Monis werter Exgatte in der DDR für die Stasi gearbeitet. Aber die ist längst aufgelöst.
    »Hat er dich für den KGB geworben, oder was?«
    »Quatsch!« Monika winkt heftig ab. »Für wen hältst du mich? Siggi arbeitet jetzt rein marktwirtschaftlich. Er hat eine eigene Firma gegründet.«
    »Glückwunsch«, spotte ich, »und die wirft schon so viel ab, dass sie ihren Mitarbeitern fürstliche Gehälter und Dienstwagen spendieren kann?« Mal im Ernst: Dreitausend Netto – mehr als mein Beamtensalär – kann nicht sein. »Das ist doch ein Trick, um dich zurückzuholen.«
    »Und ich falle drauf rein?« Monika nippt an ihrem Wodka. »Glaubst du das?«
    Ich weiß es nicht. Nach dem Mauerfall hatte ich für ein paar Tage geglaubt, dass es mit Monika und mir noch eine Zukunft geben könnte. Aber ich hatte mich geirrt. Sie wollte nicht abhängig sein von einem Mann, in den sie als Achtzehnjährige zwar mal verliebt war, den sie aber kaum kennt. Mit dem sie eine gemeinsame Tochter hat, der aber in Westberlin lebt. In einer völlig anderen Welt. Die Mauer hatte verhindert, dass wir zusammenkamen. Und als sie endlich fiel, war es zu spät. Moni hatte geheiratet und sich wieder scheiden lassen und wurde von ihrem Exmann mit allen Stasitricks schikaniert. Sogar das Abitur der Tochter wollte er verhindern – und jetzt lässt sie sich wieder mit ihm ein? Wegen eines Jobs? Da stimmt doch was nicht.
    »Was ist das für ein Job?«
    »Nichts Besonderes«, weicht Monika aus, »und befristet, aber bei Erfolg gibt’s tolle Aufstiegschancen. Vorläufig kümmere mich um die Kunden, das ist alles.«
    »Kunden? Wofür?«
    »Immobilien.« Monika sucht in ihrer Prada-Handtasche nach einem Feuerzeug. »Siggi kauft Grundstücke im Osten auf.«
    Irre. Zwar traue ich Siggi einiges zu, doch diese rasche Wandlung zum Kapitalisten habe ich nicht erwartet.
    »Wie das?«, frage ich und biete Monika eine von meinen Gauloises an, da sie zwar das Feuerzeug, nicht aber ihre Zigaretten gefunden hat. »Ich dachte, da gibt’s nur Volkseigentum?«
    »Hast du den Einheitsvertrag nicht gelesen?« Monika funkelt mich aus ihren grünen Augen an. »Da ist nix mehr mit Volkseigentum. Die Enteignungen werden rückgängig gemacht. Fabriken, Häuser, Ländereien – all das geht zurück zu jenen, denen es einst abgenommen wurde. Die ganze

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