Total bedient: Ein Zimmermädchen erzählt (German Edition)
sammeln, um mir zu sagen: Du schaffst es! Du hast es doch gestern auch irgendwie geschafft, und vorgestern und vorvorgestern. Du musst einfach noch schneller werden, das alles noch besser organisieren, dann wird alles gut, auch wenn wieder fünfzig Gäste auf einmal kommen. Ich sah die Fassade des Hotels hinauf und dachte wirklich, es läge an mir.
Service, bitte
Als ich zum ersten Mal Betten machen durfte, erschien mir das wie eine Erlösung. Ich konnte einfach keine schmutzigen Teller mehr sehen. Dann schon lieber ein benutztes Bett. Was kann eine Nacht der Sauberkeit eines Zimmers schon anhaben? So dachte ich, als ich im Housekeeping anfing, und lernte, dass man das so nennt, und nicht Zimmerservice oder Putzen, auch wenn im Central die Grenzen da manchmal fließend waren.
Den einzigen Haken bei der Sache sah ich damals bei Dana. So hieß unsere Hausdame, und ich hatte Respekt vor ihr. Großen Respekt.
Eine Hausdame wacht über die Zimmermädchen (weiblich) und Reiniger (männlich), außerdem guckt sie in der Küche, in der Lobby und in allen anderen öffentlichen Bereichen nach der Sauberkeit. Sie ist zuständig für das, was der Gast nie sehen darf: Schmutz, Wasserflecken, Unordnung und nicht geleerte Mülleimer. Sie bestellt die Wäsche, streitet mit der Wäscherei, wenn etwas fehlt oder zu spät kommt, und sorgt für Nachschub in den Minibars. Der Begriff Hausdame drückt Grazie und Respekt aus, schließlich hat die Hausdame im Normalfall ein ganzes Heer von fleißigen Geistern unter sich, die für Schönheit
und Annehmlichkeit in vielen Bereichen des Hotels zuständig sind. Vielleicht ist der Begriff auch deshalb nur Hotelangestellten geläufig, nicht aber den Gästen, für die alle immer nur Zimmermädchen sind, weil sie in der Tätigkeit des Zimmerputzens nichts Damenhaftes erkennen können. Dana wurde ihrer Berufsbezeichnung mehr als gerecht. Sie war blond, groß, hatte unfassbar weiße Zähne, immer einen perfekt gezogenen Lidstrich und gerade so viel Make-up aufgetragen, dass es auffiel, ohne billig zu wirken. Sie benahm sich, als wäre sie im Central geboren und war sich ihrer Wirkung sehr bewusst.
Wenn wir manchmal nach dem Frühstück der Gäste im Konferenzraum zusammensaßen, um die übrig gebliebenen Croissants mit Nutella zu verdrücken, dann setzte sie sich immer in die Mitte der u-förmig angeordneten Tische, an den Chefplatz also, und erzählte so laut und durchdringend von ihrem Wochenende oder irgendeinem Ereignis aus ihrem Leben, als gälte es eine Herde Schwerhöriger zusammenzuhalten und als sei eines ganz sicher: Jeder im Raum wollte das hören.
Dana hatte ein eigenes Büro. Das verschaffte ihr Respekt, auch wenn dieses Büro nur die Wäschekammer war, in der sie sich einen Klappstuhl und einen Tisch aufgestellt hatte. Hinter dem Stuhl war ein Laken gespannt, hinter dem wir uns vor und nach der Arbeit umzogen, Männer und Frauen am gleichen Ort, was blendend funktionierte, weil Dana zumeist vor dem Laken saß und darauf achtete, dass nicht gerade der Wäschefahrer mit den neuen Handtüchern hereingerollt kam, wenn Sara oder ich mit einem zu engen Rock kämpften.
Dana war damals dreißig, also nur zehn Jahre älter als ich und damit so alt wie ich heute, aber sie erschien mir viel älter und reifer, als ich es heute bin. Sie gab mir das Gefühl, dass ich hundertfünfzig Jahre alt hätte werden können, und es hätte trotzdem nicht gereicht, um von ihr respektiert zu werden.
Vielleicht war ich ihr auch nur zu leise und zurückhaltend, aber wenn sie manchmal überlaut »Wie bitte?« rief, wenn ich etwas sagte, dann sicher nicht, weil sie mich nicht hören konnte, sondern weil sie es nicht wollte.
Dana ließ sich weder vom Chef noch von den Gästen aus der Ruhe bringen und begegnete den meisten Menschen wie eine gütige Mutter, freundlich, aber bestimmt. Wenn der Chef sie morgens um halb elf nach sauberen Zimmern fragte, weil unten einer stand, der sich doch für den frühen Flieger entschieden hatte und nun mit erwartungsvollen Augen auf sein Zimmer wartete, dann geriet sie nicht in Panik, sondern empfahl Chef und Gast gleichermaßen, doch erst mal einen Kaffee trinken zu gehen. In der Zwischenzeit würde schon ein Zimmer fertig werden. Da war keine Spur von Unterwürfigkeit, und das gefiel mir.
Sara und Katja nannten sie »tough« und bewunderten sie. »Die hat ’nen coolen Job«, sagte Sara schon damals, was ich ihr anfangs sogar glaubte.
Ich wurde also Danas Assistentin und
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