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Total bedient: Ein Zimmermädchen erzählt (German Edition)

Total bedient: Ein Zimmermädchen erzählt (German Edition)

Titel: Total bedient: Ein Zimmermädchen erzählt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna K.
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Frühstück inklusive
    Das erste Mal geheult hab ich nach zwei Wochen. Wegen des Frühstücks. Dieses Ehepaar, beide um die siebzig, stand vor mir und bebte vor Entrüstung. Ich wusste nicht mehr, wie ich es noch erklären sollte: Frühstück gibt es von halb sieben bis halb elf. Ich glaube, das war das Erste, was ich im Hotel auswendig gelernt hatte. Und jetzt standen diese beiden vor mir und wollten unbedingt um halb zwölf frühstücken.
    »Wir kommen immer um halb zwölf zum Frühstück«, sagte die Frau, mit Betonung auf dem »immer«, nachdem ich ihr schon zwei Mal erklärt hatte, dass das unmöglich sein konnte. Sie, ein Pelzmäntelchen tragend, funkelte mich giftig an. Er, hager und knotig, stand einen Schritt hinter seiner Frau. »Wenn Sie hier keine Ahnung haben, dann richten Sie Ihrem Chef bitte aus: Wir kommen um halb zwölf.«
    Ich sammelte mich. Ich wollte ganz ruhig bleiben. Es nicht nur ihnen erklären, sondern mich auch selbst noch einmal vergewissern: »Im Frühstücksraum wird ab halb zwölf für das Mittagessen eingedeckt. Es ist also gar nicht möglich, dann noch zu frühstücken.«
    Sie schwiegen eine Weile, und fast glaubte ich, gewonnen
zu haben. Aber dann sagte er, und es klang jetzt, als habe er Geduld mit mir : »Also gut, Fräulein.« Pause. »Wir nehmen den Tisch ganz außen, mit Blick nach unten.« Der Frühstücksraum lag im fünften Stock, und alle wollten außen sitzen, um die Stadt zu sehen, natürlich. Eigentlich müsste man Frühstücksräume planen, in denen jeder außen sitzt.
    Mir traten die Tränen in die Augen. Ich hatte in den ersten beiden Wochen, die mein Frühstücksdienst jetzt dauerte, schon gelernt, selbstbewusst zu sein, wenn Gäste unerfüllbare Wünsche hatten. Ich hatte gelernt, freundlich, aber nicht demütig darauf zu antworten. Jetzt war ich plötzlich unsicher: Konnte es nicht doch sein, dass man um halb zwölf … In diesem Moment schoss Frau Bock aus der Küche. Sie musste alles mit angehört haben, denn sie herrschte die beiden an: »So, mir reicht’s. Frühstück bis halb elf, Schluss, aus, Ende der Durchsage.«
    Das Rentnerpärchen war von ihrem Auftritt offenbar genauso beeindruckt wie ich. Auf jeden Fall verließen die beiden den Frühstücksraum in einer Geschwindigkeit, die ich ihnen gar nicht zugetraut hätte.
    Frau Bock verschwand so schnell wieder in der Küche, wie sie aufgetaucht war. Die Schwingtür schwang noch ein paar Mal energisch hin und her. Es war mir nur recht. So sah sie wenigstens nicht, dass mir jetzt doch die Tränen über die Wangen liefen.
    Nur nicht zu viele warme Worte, so war Frau Bock, Service-Chefin im Hotel Central und in dieser Funktion schon seit gefühlten fünfzig Jahren dabei. So war sie mir schon am allerersten Tag meiner Ausbildung begegnet.
Als ich mich, es war Februar und noch bitterkalt, brav an der Rezeption vorgestellt hatte, die Mütze noch auf den Ohren, kam sie herbeigeeilt, schenkte mir einen strafenden Blick aus kleinen, faltenumrahmten Augen und sagte zur Begrüßung nur: »Sie sind zu spät.«
    Ich starrte sie verblüfft an und stammelte schließlich, dass man mir doch gesagt habe, ich solle um acht Uhr erscheinen. Und es war wirklich Punkt acht Uhr.
    »Schichtbeginn ist um halb sechs«, entgegnete mir Frau Bock, ohne mich anzusehen. »Aber nun ist’s halt so. Kommen Sie mit.«
    Sie trug einen langen schwarzen Rock, eine weiße Bluse und eine grünliche Weste darüber, das Gleiche, das auch ich bald tragen würde. Sie war allerhöchstens einen Meter fünfundfünfzig groß, entwickelte auf ihren kurzen Beinen aber ein erstaunliches Tempo.
    Ich raffte meine Tasche und gab mir Mühe, auf meinen neuen, extraflachen Schuhen, die ich mir auf Anraten meiner Mutter eigens gekauft hatte, mit ihr Schritt zu halten. Ich versuchte, ihr zu folgen und mir gleichzeitig den Weg von der Rezeption in die Küche zu merken. Und dann war sie plötzlich verschwunden. Sie war einfach zu schnell. Oder ich zu unaufmerksam. Oder beides. Jedenfalls hatte ich sie verloren. Oder sie mich. Ich blieb stehen, hoffend, sie würde den Verlust bemerken und zurückkehren. Sie kam aber nicht zurück, und ich überlegte, ob meine Ausbildung vielleicht nur einen einzigen Tag dauern sollte. Zu blöd zum Gehen, ein wunderbarer Kündigungsgrund.
    Nach ungefähr zwei Minuten, die ich wartend im Flur
verharrte, ging ich zurück zur Rezeption, wo noch immer das junge Mädchen von eben hinter dem Tresen stand und mit dem Kugelschreiber Kringel auf

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