Total Recall
Als wir uns das erste Mal trafen, sprach er Englisch zuerst mit norddeutschem, dann mit süddeutschem Akzent und zur Krönung noch mit österreichischem und schweizerischem Akzent. Er beherrschte alle möglichen britische Akzente, den Südstaatenakzent und den Akzent von Brooklyn und Boston. Er hatte in Western mitgespielt. Seine Aussprache war so perfekt, dass ich Angst hatte, auch nur den Mund aufzumachen. In seinem Haus, wo er mich unterrichtete, standen Tausende Bücher, von denen er jedes einzelne genau kannte. Er sagte zum Beispiel: »Arnold, das Buch da drüben auf dem vierten Regal von unten, das dritte in der Reihe, könnten Sie das bitte holen? Da geht es um den irischen Akzent.« Und dann legte er los.
Ich musste immer und immer wieder den Satz »A fine wine grows on the vine« sagen. Mit dem englischen W und V hatte ich große Schwierigkeiten. Ich sprach wine wie vine aus und umgekehrt. Ich musste daher »wuh, wuh, wuh, wine« üben. »Why. What. When.« Das V wurde geübt mit dem Satz: »We’re going to vuh, vuh, Vegas.« Ich weiß nicht, wie oft ich damals »A fine wine grows on the vine« vor mich hin gesagt habe. Um die verschiedenen S-Laute zu üben, musste ich sagen: »The sink is made of zinc.« Bob erklärte mir, dass meine harte Aussprache bedrohlich wirke. Ich müsse nicht unbedingt meinen Akzent komplett loswerden, sondern alles nur ein wenig weicher und runder aussprechen.
In der Zwischenzeit hatte sich George Butler auf die Dreharbeiten für Pumping Iron gestürzt. Die Bodybuilder im Gold’s Gym staunten nicht schlecht, als er gleich zu Anfang die Oberlichter abdeckte, weil das Licht sonst zu grell für die Kamera war. Er und sein Team drehten am Venice Beach und reisten mit Franco nach Sardinien in sein Heimatdorf hoch oben in den Bergen, um zu zeigen, aus welch bescheidenen Verhältnissen er stammte. Mich begleiteten sie ins Gefängnis auf Terminal Island, wo ich einen Vortrag übers Bodybuilding hielt, verschiedene Posen vorführte und den Häftlingen Unterricht im Krafttraining ab. George engagierte eine Ballettlehrerin aus New York, die Franco und mir in Joanne Woodwards Studio beim Einüben unserer Posen half. Jeder Film braucht natürlich eine Story. George beschloss, sich in Pumping Iron auf die Rivalität zwischen Lou Ferrigno und mir beim Kampf um den Titel des Mister Olympia 1975 zu konzentrieren. George war fasziniert von Lous Verhältnis zu seinem Vater und davon, dass unsere beiden Väter Polizisten waren. Der dramatische Aufhänger des Film war also: Würde Lou mich als Mister Olympia entthronen oder nicht? Wir waren vom Typ her sehr unterschiedlich und boten daher einen perfekten Kontrast. George filmte Lou in seinem kleinen dunklen Fitnessstudio in Brooklyn, dem genauen Gegenteil vom Gold’s Gym. Lou war mehr der grüblerische, zurückhaltende Typ, während ich offen und fröhlich war. Normalerweise reiste Lou vor größeren Wettkämpfen nach Kalifornien und trainierte dort, um braun zu werden, aber George überredete ihn, in Brooklyn zu bleiben, um den Unterschied zwischen uns noch mehr zu betonen. Das passte mir gut ins Konzept, denn dadurch würde er sich umso isolierter fühlen und wäre vielleicht auch leichter zu besiegen.
Meine Rolle bestand natürlich darin, mich selbst zu spielen. Ich war der Ansicht, dass ich, um mich abzuheben, nicht nur über Bodybuilding reden sollte, das wäre zu eindimensional gewesen. Ich wollte mich als Persönlichkeit präsentieren. Mein Vorbild war Muhammad Ali. Er zeichnete sich nicht nur durch sein Boxtalent aus, sondern auch durch seine skandalträchtigen Handlungen und Aussagen, die den Leuten noch lange im Gedächtnis blieben. Er wurde Muslim, änderte seinen Namen und verweigerte den Militärdienst, weshalb ihm der Weltmeistertitel aberkannt wurde. Allerdings kann man sich auf diese Weise nur abheben, wenn die nötige Substanz vorhanden ist. Als Versager kommt man damit nicht durch. Die Kombination aus Können und Skandal machte Ali zu einem ganz besonderen Menschen. Meine Situation war ein bisschen anders, weil Bodybuilding längst nicht so bekannt war wie Boxen. Aber die Mechanismen, um Aufmerksamkeit zu erregen, waren dieselben.
Durch meine große Klappe aufzufallen fiel mir nicht schwer, weil das ganz meinem Naturell entsprach. Und George stachelte mich noch zusätzlich an. In einem Interview wollte ich Bodybuilding ein bisschen sexy wirken lassen und verglich das Aufpumpen der Muskeln, wobei man mit Sauerstoff gesättigtes
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