Tote essen kein Fast Food
Beton-Tetrapoden zu einer Art Damm aufgetürmt. Eigentlich wäre ich gern dazwischen herumgeklettert, aber ich war froh, dass ich überhaupt wieder einigermaÃen gehen konnte, und wollte mein lädiertes Sprunggelenk nicht aufs Spiel setzen. Zwischen den Tetrapoden waren angeschwemmte Bretter verkeilt und jede Menge Tampen in allen Stärken und Farben. Britta hatte diese Dinger immer gesammelt und schräge Wandteppiche daraus hergestellt, von denen mehrere in unserem Wohnzimmer und der Diele hängen. Es schienen noch mehr Leute auf diesem Trip zu sein, denn bei dem Teil des Damms, der wie ein Stack Richtung Nordsee hinauslief, sah ich später eine junge Frau in einer Art Armeehose zwischen den martialisch wirkenden Betonriesen umherstreifen, die versuchte, die Tampen herauszuwinden. Wenn das nicht klappte, schnitt sie sie mit einem Taschenmesser einfach ab. Irgendwie sah sie nicht aus, als wolle sie daraus Wandteppiche weben. âAh, ScheiÃeâ, hörte ich sie fluchen, als eine etwas höhere Welle ihre schwarzen Schnürstiefel traf und den unteren Teil des rechten Hosenbeins dunkeloliv färbte. Während sie sich nach unten beugte, um sinnloserweise die jetzt sowieso nassen Hosenbeine hochzukrempeln, wandte sie den Kopf kurz Richtung Strand. Ein dick kajalumschatteter Blick traf mich, der mich an einen hungrigen Vampir denken lieÃ. Sie registrierte, dass ich zusammenzuckte, grinste verschlagen und hob wie Flügel beide Arme, die Finger zu Krallen verkrampft. Dabei lieà sie ein Fauchen hören wie eine lüsterne Hyäne und fing an zu lachen, als ich eilig wegsah.
âWas war das denn?â, fragte Jan verblüfft.
âKeine Ahnung. Wohl irgendwie durchgeknallt.â
âSieht ganz so aus.â Schweigend stapften wir weiter durch den Sand und wichen den Wellen aus, die vereinzelt über unsere FüÃe zu schwappen drohten.
âKannst du noch?â, fragte Jan, nachdem wir bereits eine Stunde an der Wasserkante nach Norden gelaufen waren.
âGeht so. Aber besser hier am Wasser längs als in dem weichen, tiefen Sand.â Ich deutete Richtung Dünen. âAlso, was Bunkerähnliches kann ich hier weit und breit nicht erkennen.â
âIch schonâ, sagte Jan. âDa vorn bei dem Bohlenaufgang liegt das Sansibar.â
âNa und?â
âDa gehen wir jetzt was trinken.â
âIn dieser Promibude?â
âAch was. Da sitzen meistens ganz normale Leute und warten darauf, dass Boris Becker reinkommt. Mit einer seiner Milchkaffee-Miezen. Oder Dieter Bohlen.â
âHaben sie die Holzstufen nach dem benannt?â
âGarantiert.â Jan grinste. âKommst du jetzt?â
âNa gut.â Ich war ehrlich gesagt ganz froh, meinem Fuà eine kleine Pause gönnen zu dürfen.
âUnd auÃerdem hab ich eine Ãberraschung für dich.â
âLass mich raten: Dieter Bohlen ist da und weiht seine Treppe ein?â
âWartâs ab.â
Wir kletterten die paar Holzstufen an den Dünen hinauf, an der kleinen Hütte vorbei, in der Sansibar-Souvenirs von der Bonbondose bis zur Magnumflasche Champagner verkauft wurden, und an der schwarzen Piratenflagge mit den gekreuzten Säbeln, die stramm im Wind wehte. Vor demRestaurant lieÃen wir uns auf der Terrasse mit den groÃen Holztischen nieder. Eine Portion Sonne auf der Nase hätte ich jetzt gut gebrauchen können, aber der Himmel blieb trüb und man durfte bereits froh sein, dass es nicht von oben pieselte. âIch muss mal für groÃe Jungsâ, sagte Jan, nachdem wir jeder ein kleines Alsterwasser getrunken hatten. âKommst du mit?â
âWie bitte? Kannst du das noch nicht alleine?â
âDoch, aber ich will dir was zeigen.â
âAuf dem Männerklo?â
âKeine Panik. Komm einfach mit.â
Ich warf ihm einen skeptischen Blick zu, stand aber trotzdem auf.
âWarte hier auf mich.â Gleich nach der gläsernen Eingangstür bog Jan rechts ab und folgte den WC-Pfeilen den schmalen Gang entlang bis zu den Toiletten, während ich mir die Zeit damit vertrieb, die XXL-Champagnerflaschen mit der Aufschrift Sansibar zu zählen, die an der rechten Wand Spalier standen. Als Jan wiederkam, nahm er mich bei der Hand und zog mich hinter sich her ins Restaurant, wo er schnurstracks auf den Tresen zusteuerte. Er sprach kurz mit der Bedienung und fünf Minuten später erschien
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