Tote essen kein Fast Food
einmal wöchentlich schwangere Nattern mit toten Mäusen zu fütternâ, ergänzte ich, an den Türrahmen gelehnt. âVielleicht frisst Marzipan ja auch lecker tote Vögel. An Staubwölkchenparfait mit eingetrübten Glasaugen. Wär doch mal was anderes.â
âDu bist ekelhaft, Fannyâ, sagte Frida und streichelte Heinrich über das staubige Gefieder.
Ich betrachtete das Tohuwabohu aus umgekipptem Hocker, Büchern und Fridas Flipflops zu meinen FüÃen. Als ich flüchtig die Einbände von Tante Hedis kostbaren Bildbänden scannte, blieb mein Blick an einem Buch hängen, das anders aussah als die anderen. Irgendwie alt. Und düster. Und das mir von irgendwoher bekannt vorkam. Der Titel zeigte eine Luftaufnahme vom oberen Ende Sylts mit List, dem Königshafen und dem Ellenbogen. Es war jedoch keines der üblichen Hochglanzfarbfotos wie sie sonst die zahlreichen Bildbände über Sylt zieren. Das Ganze wirkte wie eine alte Schwarz-WeiÃ-Aufnahme, die man auf dunkelblauen Grund gedruckt hatte, damit sie nicht ganz so düster aussah. Die Topografie der Insel war deutlich zu erkennen. Ihre charakteristischen Konturen mit den schmalen hellen Strandstreifen zu beiden Seiten zeichneten sich scharf gegen dassie umgebende Meer ab. Ebenso wie der fett gedruckte weiÃe Schriftzug in der oberen rechten Ecke, querab vom Königshafen. SYLT, stand da, und darüber in etwas kleineren Buchstaben âDie Festungâ.
Krass. Volltreffer.
Ich kniete mich neben den Bücherhaufen und tat, als wollte ich ihn wieder ordentlich stapeln. âHarald Voigtâ, las ich unten rechts auf dem Umschlag in der Höhe von Mellhörn. âGeschichte und Entwicklung der Insel Sylt unter militärischem Einfluà 1894â1945â. Ich drehte das Buch auf den Bauch. Die Rückseite zeigte den südlichen Zipfel von Sylt mit dem breiten Sandstrand bei Hörnum Odde. Die MaÃstäbe der beiden Luftbilder schienen nicht übereinzustimmen, denn das Lister Ende auf der Vorderseite verhielt sich zu Hörnum Odde ungefähr wie ein Flamingobein zu einem ElefantenfuÃ.
War es denn zu fassen? Die Festung Sylt hatte sich die ganze Zeit genau vor meiner Nase befunden. Wieso war ich nicht gleich darauf gekommen, in Tante Hedis Privatbibliothek danach zu fahnden statt in der öffentlichen Bücherhalle. Und wieso hieà die überhaupt âöffentlichâ, wenn sie die meiste Zeit geschlossen war. Dass Tante Hedi dieses Buch besessen hatte, war eigentlich nur logisch. Wer sich für die heimische Vogelwelt mit allen Unter- und Abarten interessierte, dem konnten schlieÃlich vier Seefliegerhorste vor der Haustür nicht komplett egal sein. Zumal sie womöglich auch heute noch den einen oder anderen Nistplatz boten.
Ich schob einen unverfänglichen Bildband zum Thema Sylter Flora und Fauna über meinen historischen Fund und blickte auf. Aber diese VorsichtsmaÃnahme war überflüssig.Keiner achtete auf mich. Svea kniete neben meinem Vater auf dem Sofa und war damit beschäftigt, ihn abwechselnd zu küssen und Staubfäden aus seinem Haar zu zupfen. Wieso war ihnen das eigentlich nicht peinlich in der Anwesenheit ihrer jeweiligen Töchter? Frida schien es egal zu sein. Sie mühte sich, dem armen Heinrich gut zuzureden, der noch immer kopfüber zwischen seinen geflügelten Wohnzimmerkumpels klemmte und sich offensichtlich weigerte, wieder auf die staksigen Beine zu kommen. Mit beiden Händen ruckelte sie an seinem Körper. âJetzt komm endlich raus da, du Heiniâ, hörte ich sie schimpfen, als ich bereits mit meiner Beute auf dem oberen Treppenabsatz angekommen war. Leise betrat ich mein Zimmer und schloss die Tür hinter mir ab. Dann verbarrikadierte ich mich für Stunden in der Festung Sylt .
14
âMann, Moritz, lass meinen iPod in Ruhe ... Ãhm, ja, hallo ...â
âHallololo, du Affenpo.â
âÃh, hallo, ist da Jan?â
âNeee.â Kicher, kicher. âHier is Max.â
âHallo, Max. Kann ich bitte Jan sprechen?â
âDer kann gerade nicht.â
âMaaax. Gib das her.â
âDer haut gerade meinen Bruder. Wer bist du denn?â
âIch heiÃe Fanny. Gibst du mir jetzt ...â
âJan, deine Fanny-Freundin ist dran. Fanny-Janny, Fanny-Janny. Fanny-...â
âMax, verdammt, das ist mein Handy.â
âFang mich doch, du
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