Tote essen kein Fast Food
geröteten Finger seiner Frau, als habe er es mit einem Hund zu tun. âAber ich hab ja meine eigene Emma. Und die ist mindestens genauso explosiv.â Emma lächelte nachsichtig.
âWarum interessiert euch das?â, fragte sie. âMüsst ihr ein Referat schreiben, für die Schule? Normalerweise will heute niemand mehr was davon wissen. Wenn nicht gerade ein Bunker auf den Strand fällt. Dann kommen natürlich alle wieder gerannt. So wie vor vier Jahren bei Hörnum.â
Ich sah Jan an, unsicher, ob ich mit der Wahrheit herausrücken sollte. âIch wäre neulich fast in ein Betonloch gefallenâ, sagte ich schlieÃlich.
âWo?â Willem legte den Kopf schief, kniff die Augen zusammen und funkelte mich aus seinen Aquamarinsplittern interessiert an.
âIn der Nähe von Listâ, erklärte ich vage. âBeim Strand.â
Willem zuckte die Schultern. âDa kenn ich mich nich so ausâ, sagte er. âAber jede Menge Bunker da oben. Dass die jetzt als Touristenfallen da rumliegen ...â Er schüttelte den Kopf. âObwohlâ, er grinste spitzbübisch, âgar keine schlechte Idee. Wird immer voller hier.â
âUnd der bei Hörnum?â, schaltete Jan sich ein. âDer auf den Strand gefallen ist? Wir waren da gerade, aber von einem Bunker haben wir weit und breit nichts gesehen. AuÃer dem Keller vom Sansibar.â
âAch, das Sansibarâ, sagte Willem verächtlich. âAllens Schickimicki. Viel Protz aufm Parkplatz und zu viele Pelzmäntel. Aber als Weinlager ist soân Bunker praktisch. Fünfundzwanzigtausend Flaschen sollen da liegen.â
âDen anderen vor Hörnum haben sie mit Baggern wieder eingebuddeltâ, erklärte Emma. âWar ein Riesending mit meterdicken Betonwänden. Aber die Touristen fingen an, drauf herumzuklettern, und das war einfach zu gefährlich.â
âDas haben wir uns schon gedachtâ, sagte Jan und sah mich an. Emma zupfte Willem Blaubär am Ãrmel.
âAufstehen, Willemâ, sagte sie resolut. âWir sind schon in Westerland. An der nächsten Station müssen wir raus.â Für ihr Alter erstaunlich standfest erhoben die beiden sich und gingen zur mittleren Bustür.
âSchönen Tach noch, ihr zweiâ, sagte Willem und hielt sich eisern an einer Stange fest. âUnd passt auf, dass ihr nicht wieder in ein Loch fallt.â
âMachen wir, und vielen Dankâ, riefen wir hinterher. âWar echt interessant.â Dann waren die beiden in der Menge am Bahnhofsvorplatz verschwunden.
âFridaâ, sagte ich und lieà mich gegen die Rückenlehne fallen. âEin MG-Nest namens Frida. Typisch.â
âHätte genauso gut Fanny heiÃen könnenâ, sagte Jan. âSo explosiv wie Frida bist du schon lange.â Er grinste. âUnd wie Emma erst recht.â
Als ich abends im Bett lag und die unheimlich wabernden Schattenarme betrachtete, die das Licht der StraÃenlaterne durch die Kiefer vorm Fenster auf die Zimmertapete warf, dachte ich darüber nach, wie er diesen Satz wohl gemeint haben könnte. War ich in seinen Augen eine Granate oder eher eine Art Rohrkrepierer? Ich entschied mich für die Granate, auch wenn ich mich von der langen Strandwanderung so zerschlagen fühlte, als wäre ich bereits hochgegangen und würde jetzt in tausend Fetzen zersprengt zu Boden taumeln.
Oder als hätte mir jemand vorzeitig die Zündschnur abgeschnitten.
13
Mein Fuà fühlte sich nur mittelgut an, als ich am nächsten Vormittag die Treppe hinunterschlich wie eine alte Omi. âHallo, Fanny, da bist du ja endlichâ, begrüÃte mich Frida so ekelhaft munter, wie das in ihrem Alter wohl normal ist. Kann mich nicht erinnern. Ist schon so lange her bei mir.
BarfuÃ, in kurzen Hosen und Labber-T-Shirt balancierte sie im Wohnzimmer auf ihrem Nachttisch-Hocker, der auf zwei Bücherstapel aus Tante Hedis Bildbandregal aufgebockt war. Vorsichtig nahm sie von Svea eine schwarz gefleckte Rohrdommel entgegen, die bis dahin zwei Meter über Normalnull an der Wohnzimmertapete geknabbert hatte. âWas macht ihr denn da?â
âWir holen diese Gruselviecher von der Wandâ, sagte Svea. Sie stand auf der klapprigen Aluleiter und machte sich an einer starr aus dem Fenster blickenden Waldschnepfe zu schaffen. âIch komme mir hier vor wie in Alfred Hitchcocks
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