Tote essen kein Fast Food
Psycho.â
âIst das der mit dieser Horrorvilla und der Messerszene in der Dusche?â
âGenau der. Fehlt nur noch, dass deine Tante Hedi im Keller mumifiziert im Rollstuhl sitzt. So wie die Mutter von Norman Bates im Film.â
âHm. Wer weiÃ. Du solltest lieber abschlieÃen, wenn du das nächste Mal unter die Dusche steigst.â
Svea grinste. âBisher habe ich deinen Vater nicht für einen schizophrenen Psychopathen gehalten.â
âAber er ist Spezialist für Mumien. Apropos: Weià Martin, was ihr da macht?â
âSoll âne Ãberraschung werdenâ, erklärte Frida und packte die stocksteife Rohrdommel zu ihren Artgenossen, die reglos in einem Pappkarton auf dem groÃen geblümten Polstersessel kauerten und den muffigen Geruch von jahrzehntealtem frisch aufgewirbeltem Staub verbreiteten.
âNa, hoffentlich freut er sich.â Ich schlurfte Richtung Müsli in die Küche und war insgeheim froh, dass ich Martin nicht höchstpersönlich davon überzeugen musste, Tante Hedis gefiederte Menagerie loszuwerden. Ich setzte mich mit der Müslischale auf dem Schoà auf den erbsengrünen Küchenstuhl, legte die FüÃe auf den gegenüber und verfolgte die fortschreitende Demontage an der Wand.
âAls nächstes Paulâ, sagte Frida und zeigte auf einen Waldkauz, dem eines seiner gelb glühenden Augen fehlte. Offenbar wurden Tante Hedis Lieblinge allesamt noch schnell getauft, bevor sie in ihrem Pappsarg verschwanden. Ich schnappte mir die Sylter Rundschau vom Vortag, die auf dem Tisch lag, und freute mich schon auf Martins Reaktion, wenn ihm statt des gespenstischen Vogelgeschwaders an der Wand erwartungsvoll seine beiden eigensinnigen Hausgäste entgegenblicken würden. Das wollte ich auf keinen Fall verpassen.
Ich überflog die Schlagzeilen des dünnen Blattes mit den Insel-News. Auf den Lokalseiten fand ich es: âSchrader-Apotheke in Hörnum verwüstetâ lautete die Ãberschrift über dem zwei Spalten breiten Artikel, und die Empörung überdiese Freveltat sprang einem aus jedem Satz entgegen. Willem hatte recht gehabt. An Geld fehlte nichts, nur eine bestimmte Sorte Medikament, die nicht näher bezeichnet war. Die Apothekerin war sich nicht sicher. Um Viagra konnte es sich dabei jedenfalls nicht handeln, denn im Vordergrund des Fotos neben dem Artikel waren derartig viele Viagra-Packungen zu erkennen, dass man sich fragte, wozu solche Mengen auf der Insel benötigt wurden, und das allein in Hörnum. Hatte das mit der betagten, Schrägstrich, impotenten Klientel der beiden Nobelhotels zu tun, die dort seit kurzem die Skyline verhunzten, wie Martin meinte? Oder brauchte Willem es für seine explosive Emma? Vielleicht verfütterten sie das Zeug ja auch an die männliche Hälfte der Deichschafe? Damit den Edelrestaurants der Insel die gebratenen Salzlämmer nicht ausgingen. Und womöglich stand deshalb im Inselführer auf der letzten Seite: âSchafe: Achtung, freilaufend, Hunde bitte anleinenâ. Die Hunde mussten vor wollüstigen Schafen geschützt werden und nicht die Schafe vor bissigen Hunden. Ich stellte mir eine Horde wild gewordener Schafe vor, die sich lüstern auf Jasper stürzten, und musste laut lachen. FANNY! STOPP!, rief ich mich zur Ordnung. Meine Fantasie war mal wieder auf Abwegen. Musste an meinen hormongesteuerten Eltern liegen.
Neben dem Viagra-Foto prangte noch ein Bild. Es zeigte eine im Original daumennagelgroÃe silberne Brosche mit ungewöhnlichem Motiv, die die Spurensicherung der Polizei inmitten des Medikamentenhaufens gefunden hatte. Winzige grau glitzernde Edelsteine fügten sich darauf zu einem Tier mit sieben Schwänzen zusammen. Es war eine Ratte. Wer diese Brosche kannte oder wusste, wem sie gehörte, wurde gebeten, sich bei der nächsten Polizeidienststelle zu melden.
Mit dem Zeigefinger fuhr ich über das Bild in der Zeitung, als könnte ich die Brosche dadurch spüren. Das Knirschen von Schritten auf dem Kiesweg vor der Küche riss mich aus meinen Gedanken.
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Hallo Ma, ich schon wieder. Bin noch nicht fertig mit deiner Vergangenheit. Und meiner.
Als wäre das alles noch nicht genug, bist du auch noch kriminell geworden. Glückwunsch. Tolle Karriere. Ich eifere dir übrigens nach. Ich klaue. Notgedrungen sozusagen. Ich klau sogar die gleichen Sachen wie du, wenn auch in kleineren Mengen.
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