Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Tote essen kein Fast Food

Tote essen kein Fast Food

Titel: Tote essen kein Fast Food Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karin Baron
Vom Netzwerk:
„Ich bin an irgendwas hängen geblieben.“ Ich bückte mich, um mir den Stein des Anstoßes näher anzusehen. Aber es war kein Stein. Es war ein beweglicher eiserner Ring, der uns zwischen den Zweigen und Büscheln von vertrocknetem Standhafer auf der Erde nicht aufgefallen war. „Was ist das denn?“
    Um meine Achterbahn-Gefühle zu überspielen, untersuchte ich die Stelle mit dem Ring näher. Er war in eine Betonplatte eingelassen, etwa einen halben Quadratmeter groß und doppelt so lang wie breit. Seine eine Längskante wurde exakt von der Längsseite der Spanplatte verdeckt.
    â€žSieht aus wie ’ne Falltür, würde ich sagen. Aber was die mitten in der Landschaft soll, keine Ahnung.“ Wir blickten uns an.
    â€žDafür fällt mir nur eine Erklärung ein“, sagte ich leise.
    â€žMir auch.“
    Jan zögerte. Dann ging er in die Knie und zog er an dem eisernen Ring. Nichts passierte. Erst als er ihn um neunzig Grad drehte, hörten wir das Knirschen von Sand, der zwischen die Fugen fiel und zwischen der Betontür und ihrer Einfassung zermahlen wurde. Sekundenbruchteile später gab die Falltür überraschend leicht nach und ließ sich nach oben öffnen. Sie gab den Blick frei auf eine schlüpfrig grüne steinerne Treppe, die zwei Meter steil in die Tiefe führte und an einer schweren rostigen Metalltür endete, die einen Spaltbreit offen stand.
    ----
    Sie suchen mich, wie ich höre. Und lese. Heißt das, DU suchst mich? Geschieht dir recht. Bin ich entführt worden — oder schon tot? Sag ich dir nicht. Du sollst auch leiden. Und zwar, wenn’s geht, mehr als ich. Geht aber nicht. Geht nicht. ES KANN DIR NICHT WEHER TUN ALS MIR.
    Was meinst du, soll ich dir meine Gedankenfetzen per Mail schicken? Meine zerfetzten Gefühle. Meine Bruchstücke. Oder meine Überreste? Du ahnst nicht, wie zerstört man sich fühlen kann, auch wenn die äußere Hülle — noch — intakt ist. Es wird nicht schön werden, mich zu finden. So oder so, glaub mir.
----

15
    â€žVolltreffer“, sagte Jan.
    â€žSieht so aus.“ Beim Anblick der modrigen Stufen, die nach unten führten, kam das alte Gollum-Gefühl in mir hoch. Es kroch mir unter die Haut und stellte die flaumigen Härchen an meinen Unterarmen auf, sodass sie sich an der Innenseite meiner Ärmel rieben und anfühlten wie ein kleiner Pelz.
    Wir sahen uns an. Unwillkürlich tastete ich nach Jans Hand. Ich schüttelte den Kopf und behutsam ließ Jan die Falltür wieder zu Boden sinken, bis sie mit trockenem Knirschen einrastete. Von unten hörten wir das Schlagen der Tür an ihrem Metallrahmen, verstörendes Echo einer lang zurückliegenden Vergangenheit. „Ich will da jetzt nicht rein“, sagte ich und fühlte mich außer Atem, obwohl ich gar nicht gerannt war. Alles in mir sträubte sich gegen die Vorstellung, da jemals wieder runterzumüssen.
    â€žMusst du auch gar nicht“, sagte Jan. „Wir können das alles hier einfach vergessen.“ Er strich mir eine Haarsträhne aus dem Gesicht und sah mir forschend in die Augen. Meine Lippen zitterten, und wie kleine Insekten in frischer Farbe blieben meine Pupillen kleben an seinem Blick und an seinen langen dunklen Wimpern, die die goldenen Sprenkel verschatteten. Weder konnte ich die Augen zumachen noch weggucken.
    â€žJa“, sagte ich leise, „vergessen wir’s.“ Ich hielt seine Augen in meinen nicht länger aus und wollte mich zur Seite drehen, doch er hielt mich einfach fest. Dann zog er mich an sich, als sei es die selbstverständlichste Sache der Welt.
    Es WAR die selbstverständlichste Sache der Welt. Ich leistete null Widerstand, noch nicht mal pro forma, ließ mich einfach fallen. Es war ganz leicht. Und es tat so gut, sich endlich anlehnen zu können. An jemanden, der nicht zu meiner implodierten Familie gehörte und auch nicht erst überlegen musste, was ihm wichtiger war: seine E-Gitarre, sein Surfbrett – oder ich.
    Ich spürte, wie Jans Herz schlug unter dem türkisfarbenen Sweatshirt, das er anhatte. Es fühlte sich vertraut an, als gehörte es so. Als gehörten wir so. Und ich weiß nicht, warum, aber mir kamen die Tränen. Wie eine Riesenwelle, von der ich vorher nicht geahnt hatte, dass sie sich unter der Oberfläche bereitmachte, über mich hinwegzufluten. Und dabei alle Dämme

Weitere Kostenlose Bücher