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Tote im Salonwagen

Tote im Salonwagen

Titel: Tote im Salonwagen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: B Akunin
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zwei Stunden das letzte Mal begegnet waren, und der Staatsrat gab gewiß keinerlei Anlaß, daß man sich um seine Gesundheit hätte sorgen müssen.
    Fandorin deutete Burljajews Nervosität dahingehend, daß ihm die versehentliche Festnahme am Morgen immer noch peinlich war. Doch alle gebührenden Entschuldigungen waren schon auf dem Bahnhof ausgesprochen worden, und dies beredter als nötig, weshalb der Staatsrat auf die ärgerliche Episode nicht mehr einzugehen gedachte, sondern gleich zum Wesentlichen kam.
    »Herr Oberstleutnant, Sie hatten mir gestern über die vorgesehenen M-m-… Maßnahmen zur Absicherung des Besuchs von Generaladjutant Chrapow Bericht erstattet. Ihre Vorschläge waren von mir gutgeheißen worden. Soweit ich mich erinnere, hatten Sie zwölf Agenten für den Empfang am Bahnhof abgestellt, vier als Fuhrleute verkleidet zum Geleit für unterwegs und noch zwei Brigaden zu je sieben Mann zur Observierung des Umfelds der Villa auf den Sperlingsbergen.«
    »Exakt«, bestätigte Burljajew mit Argwohn in der Stimme; er schien einen Hinterhalt zu gewärtigen.
    »Wußten Ihre Agenten, was für eine P-p-… Person erwartet wurde?«
    »Nur die Brigadeführer – vier insgesamt, äußerst zuverlässig.«
    »Aha.« Der Staatsrat schlug ein Bein über das andere, legte Zylinder und Handschuhe auf den benachbarten Stuhl. »Hoffentlich hatten Sie auch daran gedacht, die vier davon in K-kenntnis zu setzen, daß die oberste Leitung der Aktion in meinen Händen lag?« erkundigte er sich lässig.
    Der Oberstleutnant hob entschuldigend die Hände.
    »Bedaure, nein, Herr Fandorin. Das hielt ich nicht für nötig. Hätte ich das tun sollen?«
    Ruckartig beugte Fandorin sich nach vorn.
    »Sagen Sie bloß, keiner im Hause außer Ihnen wußte, daß ich den Auftrag hatte, den General in Empfang zu nehmen?«
    »Meine engsten Vertrauten wußten davon: Kollegienassessor Mylnikow und Titularrat Subzow. Aber sonst niemand. In unserer Behörde kommt nichts unnötig an die große Glocke. Mylnikow leitet den Agentendienst, wie Sie wissen, er muß in alles eingeweiht sein. Und Subzow, Sergej Witaljewitsch – das ist der fähigste meiner Mitarbeiter. Er war es, der seinerzeit das Schema für den K1-Empfang entwickelt hat. Sein großer Stolz.«
    »Das Schema wofür?« fragte Fandorin verwundert zurück.
    »Empfang Klasse eins. Eine innerbehördliche Nomenklatur. Wir teilen unsere Einsätze in Klassen ein, danach richtet sich die Anzahl der einzubeziehenden Agenten: Überwachung Klasse zwei, Verhaftung Klasse drei und so weiter. Empfang Klasse eins bedeutet Sicherheitsvorkehrungen für eine Person von allerhöchstem Rang. Vor zwei Wochen war hier zum Beispiel der Habsburger Thronfolger zu Besuch, Erzherzog Franz Ferdinand. Auch da waren dreißig Agenten im Einsatz: zwölf auf dem Bahnhof, vier in den Kutschen und zweimal sieben rings um die Residenz. Darüber gibt es nur noch Klasse eins A, die ausschließlich Seiner Majestät dem Zaren vorbehalten ist. Da sind alle sechzig Agenten einbezogen, und zusätzlich reist ein sogenannter Fliegender Trupp aus Petersburg an, abgesehen von der Leibgarde, der Gendarmerie und so weiter.«
    »Mylnikow kenne ich«, meinte der Staatsrat sinnend. »Jewstratimit Vornamen, nicht wahr? Ich habe ihn im Dienst erlebt, ein geschickter Bursche. Stimmt es, daß er sich von ganz unten hochgedient hat?«
    »Ja, er hat als einfacher Schutzmann angefangen. Wenig gebildet, aber helle, begreift sofort, was man von ihm will, und läßt nicht locker. Seine Agenten beten ihn geradezu an, aber er läßt auf sie genausowenig kommen. Der Mann ist Gold wert, ich halte große Stücke auf ihn.«
    »Gold wert?« fragte Fandorin zweifelnd. »Mir ist da anderes zu Ohren g-gekommen. Er hätte Dreck am Stecken, heißt es. Lebt über seine Verhältnisse, es soll sogar ein Dienstaufsichtsverfahren gegen ihn anhängig sein, wegen Veruntreuung behördlicher Gelder.«
    »Ach, wissen Sie, Herr Fandorin«, Burljajew senkte vertraulich die Stimme, »Mylnikow hat die Verfügungsgewalt über nicht unbeträchtliche Mittel zur Belohnung seiner Agenten. Was er mit diesen Geldern anstellt, soll meine Sorge nicht sein. Mir ist wichtig, daß seine Truppe funktioniert wie am Schnürchen, und dafür weiß Mylnikow einzustehen. Was will ich mehr?«
    Fandorin ließ sich die eben vernommene Einschätzung auf der Zunge zergehen und wußte anscheinend nicht, was er dagegen einwenden sollte.
    »Na schön. Und was ist Subzow für einer? Den kenne ich

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