Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Tote im Salonwagen

Tote im Salonwagen

Titel: Tote im Salonwagen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: B Akunin
Vom Netzwerk:
so gut wie gar nicht. Das heißt, gesehen habe ich ihn natürlich schon, aber noch nie mit ihm gearbeitet. Entsinne ich mich recht, daß er f-früher zu den Revolutionären gehörte?«
    »Wohl wahr«, bestätigte der Chef der Geheimpolizei erfreut, das Thema schien ihm zu behagen. »Auf die Geschichte bin ich stolz. Ich habe Subzow selber einmal verhaftet, da war er noch Student. Anfangs hatte ich eine Menge Scherereienmit ihm, er hat sich benommen wie ein wilder kleiner Wolf. Saß bei mir im Karzer, bei Wasser und Brot, ich hab auf ihn eingebrüllt, mit der Strafkolonie gedroht. Aber mit Bangemachen bin ich nicht weit gekommen bei ihm, nur mit Überzeugung. Ich hab schnell gemerkt, was für ein gescheites Bürschchen er war, solche wie er sind schon vom Kopf her für Terror und andere Gewaltakte nicht geschaffen. Bomben und Revolver, das ist etwas für dumpfe Naturen, denen die Einsicht fehlt, daß man mit dem Schädel nicht durch die Wand kann. Viel lieber ventiliert unser Freund Subzow über den Parlamentarismus, über einen Bund vernünftig denkender Patrioten und dergleichen. Die Verhöre mit ihm waren das reinste Vergnügen, manchmal hab ich, ob Sie’s glauben oder nicht, bis zum Morgengrauen in der Untersuchungszelle gesessen. Ich dachte, ich höre nicht recht, wie kritisch er sich über seine Zirkelgenossen äußerte, er sah ihre geistige Enge und Verbohrtheit und war selber auf der Suche nach einem Ausweg: wie man die soziale Ungerechtigkeit beseitigen kann, ohne deswegen gleich das Land mit Dynamit in die Luft zu jagen. Das hat mir sehr gefallen. Ich verwandte mich dafür, daß sein Fall zu den Akten kam. Seine Genossen haben ihn natürlich des Verrats bezichtigt und sich von ihm abgewandt. Das hat ihn gekränkt – er hatte sich ihnen gegenüber nichts zuschulden kommen lassen. So hat er zuletzt keine anderen Freunde mehr gehabt als mich. Wir haben uns öfters getroffen, über dies und jenes geredet, ich hab ihm von meiner Arbeit erzählt, soweit das möglich war, von den vielen Haken und Hindernissen. Und was glauben Sie? Er fing an, mir Ratschläge zu geben – wie man seiner Meinung nach mit jungen Leuten reden soll, wie man einen Propagandisten von einem Terroristen unterscheidet, welche revolutionären Bücher zulesen es lohnt und so weiter und so fort. Ausgesprochen nützliche Ratschläge waren das. Und einmal, beim Gläschen Cognac, da hab ich zu ihm gesagt: Sergej, mein Goldjunge, Sie sind mir richtig ans Herz gewachsen in den paar Monaten, und es tut mir in der Seele weh zu sehen, wie Sie zwischen zwei Wahrheiten hin- und herpendeln. Ich verstehe ja, daß Ihre Nihilisten auch eine Wahrheit gepachtet haben, aber dorthin gibt es für Sie kein Zurück mehr. Also seien Sie doch schlau, sag ich, schließen Sie sich unserer Wahrheit an, die hat ja sowieso mehr Hand und Fuß. Ich sehe doch, daß Sie ein echter Patriot unseres russischen Vaterlands sind, denen ihre Internationalen sind Ihnen schnuppe. Und ich bin genauso ein Patriot wie Sie, tun wir uns zusammen und helfen Rußland über den Berg! Und was soll ich sagen? Subzow ging ein, zwei Tage in sich, und dann hat er seinen alten Genossen einen Brief geschrieben: Von nun an trennen sich unsere Wege – etwas in der Art – und gleich darauf ein Gesuch um Anstellung bei uns, in meiner Abteilung. Inzwischen ist er meine rechte Hand, und Sie werden sehen, er wird es noch weit bringen. Übrigens ist er ein großer Anhänger von Ihnen. Er ist schlankweg vernarrt in Sie, ehrlich. Redet von nichts anderem als von Ihren deduktiven Heldentaten. Manchmal bin ich richtig eifersüchtig.«
    Der Oberstleutnant lachte. Er schien sehr zufrieden damit, wie es ihm gelungen war, sich selbst in ein günstiges Licht zu rücken und zugleich seinem künftigen Vorgesetzten zu schmeicheln – doch Fandorin ging nicht darauf ein. Statt dessen begann er, wie es seine Gewohnheit war, unvermittelt von etwas ganz anderem zu reden.
    »Sagen Sie, Oberstleutnant … Kennen Sie eine D-dame namens Diana?«
    Burljajews Lachen brach ab, das Gesicht versteinerte geradezu, verlor fast gänzlich den Ausdruck soldatisch grober Herzlichkeit, den man von ihm kannte. Sein Blick wurde scharf und gespannt.
    »Darf man fragen, Herr Staatsrat, wieso Sie sich für diese Dame interessieren?«
    »Aber ja«, erwiderte Fandorin in sachlichem Ton. »Ich suche nach der Quelle, aus der die Informationen über unseren Sicherheitsplan an die T-terroristen gelangt sind. Bis jetzt weiß ich, daß außerhalb

Weitere Kostenlose Bücher