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Tote im Salonwagen

Tote im Salonwagen

Titel: Tote im Salonwagen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: B Akunin
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Chef der Wachmannschaft dem Oberstleutnant. »Selbiger. Mit einer dringenden Mitteilung für den Herrn General.«
    Der Angesprochene erhob sich.
    »Modsalewski, Adjutant Seiner Hohen Exzellenz. Dürfte ich einen Blick auf Ihre Legitimation werfen?«
    »Aber g-gewiß doch.« Der Beamte zog ein gefaltetes Papier aus der Tasche und reichte es dem Adjutanten.
    »Es ist Fandorin«, beteuerte der Wachoffizier. »In der Depesche war die Beschreibung, ich erinnere mich bestens.«
    Modsalewski prüfte gewissenhaft das Siegel und die Photographie, bevor er das Papier seinem Besitzer zurückgab.
    »In Ordnung, Herr Staatsrat. Ich erstatte sogleich Meldung.«
    Keine Minute später wurde der Beamte in das Refugium aus weichen Teppichen, Mahagoni und bläulichem Lampenschein vorgelassen. Er trat ein und verbeugte sich wortlos.
    »Seien Sie gegrüßt, Herr Fandorin«, schnarrte der General leutselig, der nun schon anstelle der Samtjacke einen Uniformrock trug. »Erast Petrowitsch mit Vor- und Vatersnamen, wenn ich nicht irre?«
    »Zu Diensten, Hohe Exzellenz.«
    »Sie geruhen Ihren Schützling also schon ante portas in Empfang zu nehmen? Ihr Eifer ist zu loben, wenngleich ich diesen ganzen Aufwand als einigermaßen entbehrlich ansehe. Erstens ging meine Abreise aus Sankt Petersburg geheim vonstatten, zweitens lasse ich mich von den Herren Revolutionären nicht ins Bockshorn jagen, und drittens liegt unser Schicksal allein in Gottes Hand. Wenn er einen Chrapow bisjetzt verschont hat, spricht das dafür, daß er den alten Kämpen noch gebrauchen kann.« Und der General – kein anderer als Chrapow natürlich – bekreuzigte sich fromm.
    »Ich habe Eurer Hohen Exzellenz eine hochdringliche, äußerst k-k-… konfidentielle Mitteilung zu überbringen«, versetzte der Staatsrat leidenschaftslos, mit einem Seitenblick auf den Adjutanten. »T-t-… Tut mir leid, Oberstleutnant, aber so lautet die Instruktion.«
    »Geh rüber, Mischa«, befahl der sibirische Generalgouverneur, den die ausländische Presse einen Henker und Satrapen nannte, in innigem Ton. »Ist der Samowar schon bereit? Sobald wir hier fertig sind, rufe ich, dann trinken wir zusammen ein Gläschen Tee … Ja nun!« fuhr er fort, nachdem die Tür sich hinter dem Adjutanten geschlossen hatte. »Was haben wir denn für Geheimnisse? Ein Telegramm vom Zaren? Geben Sie her.«
    Der Beamte trat dicht an den Sitzenden heran, fuhr mit der Hand in die Innentasche seines Biberjacketts – als ihm die verbotene Zeitung mit dem rot angestrichenen Artikel ins Auge fiel. Den Blick des Staatsrats bemerkend, verzog der General das Gesicht.
    »Tja, die Herren Nihilisten lassen Chrapow nicht aus den Augen! Ihren ›Henker‹ … Daß ich nicht lache! Gewiß wird auch Ihnen, lieber Fandorin, allerhand Unsinn über mich zu Ohren gekommen sein? Glauben Sie bloß nicht den bösen Zungen! Nichts als Lügen, an den Haaren herbeigezogen … Barbarische Wärter sollen das Mädchen in meinem Beisein halbtot geprügelt haben. Eine Verleumdung ist das!« Man sah, die unselige Geschichte um jene Iwanzowa, die sich erhängt hatte, hing Seiner Hohen Exzellenz tüchtig an, ließ ihm noch keine Ruhe. »Ich bin ein ehrlicher Soldat, Trägerzweier Georgskreuze – eins für Sewastopol 2 , eins fürs zweite Plewna 3 !« ereiferte er sich. »In Wahrheit wollte ich das dumme Ding vor der Strafkolonie bewahren! Gut, ich hab sie geduzt – und wenn schon. Ich meinte es doch ganz väterlich! Ich hab eine Enkelin in ihrem Alter! Darauf verpaßt sie mir altem Mann, einem Generaladjutanten, eine Ohrfeige. Vor versammelter Wachmannschaft, vor den Häftlingen! Allein diese Untat hätte sie von Gesetzes wegen mit zehn Jahren Zwangsarbeit zu büßen! Statt dessen habe ich befohlen, sie ein bißchen auszupeitschen, und die Sache hätte sich gehabt. Von wegen halbtot, wie es die Postillen schrieben – zehn Hiebe, mit halber Kraft! Und nicht die Gefängniswärter, die Aufseherin hat es getan. Wer konnte denn ahnen, daß diese verrückte Iwanzowa Hand an sich legen würde? Dabei ist sie nicht mal von adligem Blut, gewöhnlicher Mittelstand, und solche Sachen!« Der General winkte erbost ab. »Das bleibt nun ewig an mir hängen. Kurz darauf hat noch so eine Verrückte auf mich geschossen. Ich hab Seiner Majestät geschrieben, man möge sie nicht hängen, doch der Zar blieb hart. Eigenhändig hat er es auf mein Gesuch geschrieben: ›Wer das Schwert gegen meine Getreuen erhebt, darf auf Gnade nicht hoffen!‹« Chrapow schniefte

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