Tote Maedchen luegen nicht
wieder nach vorne umgedreht. Und am Ende der Stunde bist du einfach rausgegangen.
Ich suche auf der Karte den roten Stern, der sich bei Tylers Haus befindet. Ein merkwürdiges Gefühl, Hannahs Geschichten so akribisch zu verfolgen. Als wäre ich besessen von ihnen, wollte mir die Besessenheit aber nicht eingestehen.
Erst als ich mich auf den Weg zu meinem Klassenzimmer für die zweite Stunde machte, dachte ich: Moment mal! Sie hat sich gar nicht verabschiedet.
Dabei erfülle ich doch nur ihren letzten Wunsch. Mit Besessenheit hat das nichts zu tun, sondern mit Respekt.
Hast du dich später mal von mir verabschiedet? Nur sehr selten. Doch nach dem Erlebnis des vorigen Abends konnte ich dein Verhalten bloß als demonstratives Desinteresse verstehen. Nach all dem, was wir vor nicht einmal vierundzwanzig Stunden gemeinsam erlebt hatten, glaubte ich, wir seien ein wenig mehr als lose Bekannte.
A4. Ein roter Stern bei Tylers Haus.
Aber das war ein Irrglaube. Wir grüßten einander genauso beiläufig wie viele andere Schüler auch, an denen wir kein Interesse haben.
Bis zu dem Abend, an dem die Party stattfand.
Bis zu dem Abend, an dem du mich wieder gebraucht hast.
Ich muss jetzt über etwas Klarheit gewinnen. Eher kann ich nicht weiterhören.
Ich nehme den Kopfhörer ab und hänge ihn mir um den Hals. Das Mädchen, das mit mir einen Kurs belegt hatte, geht mit einer Plastikwanne, in der sie benutzte Teller und Becher stapelt, von Tisch zu Tisch. Ich starre aus dem dunklen Fenster, während sie den Nebentisch abräumt. In der Scheibe erkenne ich, dass sie mehrmals zu mir herüberblickt, doch ich drehe mich nicht um.
Als sie sich wieder entfernt, nippe ich an meinem Kaffee und bemühe mich krampfhaft, nicht nachzudenken. Ich warte einfach ab.
Eine Viertelstunde später fährt ein Bus vorbei und das Warten hat ein Ende. Ich schnappe mir die Karte, werfe mir den Rucksack über die Schulter und haste auf die Straße.
Der Bus hat an der nächsten Ecke angehalten. Ich spurte den Bürgersteig entlang, springe in den Bus und finde einen leeren Platz, der sich ungefähr in der Mitte befindet.
Der Fahrer wirft mir im Rückspiegel einen Blick zu. »Wir sind zu früh dran«, sagt er. »Ich fahre erst in ein paar Minuten weiter.«
Ich nicke, stopfe mir erneut die Stöpsel in die Ohren und schaue aus dem Fenster.
Ich will euch verraten, dass es später noch um eine andere, sehr viel wichtigere Party gehen wird.
Geschieht es dann? Komme ich dann endlich ins Spiel?
Aber dies ist die Party, die Courtney zurück ins Geschehen bringt.
Ich war in der Schule, hatte den Rucksack geschultert und wollte gerade das Klassenzimmer verlassen, als du mich an der Hand festgehalten hast.
»Hannah, warte!«, hast du gesagt. »Wie geht es dir?«
Dein Lächeln, deine Zähne... makellos.
Wahrscheinlich habe ich »Alles okay« oder »Gut, wie geht’s dir?« oder so was geantwortet, aber ehrlich gesagt, Courtney, ist mir das völlig egal. Jedes Mal wenn sich unsere Blicke auf den überfüllten Gängen trafen und du schnell woanders hinschautest, habe ich ein bisschen mehr Achtung vor dir verloren. Und manchmal fragte ich mich, ob es anderen Mitschülern nicht genauso ging wie mir.
Du hast mich gefragt, ob ich schon von der Party gehört hätte, die spät am Abend stattfinden sollte. Ich sagte, ich hätte keine große Lust hinzugehen, nur um die ganze Zeit mit irgendwelchen x-beliebigen Leuten Smalltalk zu machen.
»Dann lass uns doch zusammen hingehen«, hast du vorgeschlagen. Du hast deinen Kopf auf die Seite gelegt, mich angelächelt und - wenn ich mich recht erinnere - sogar geblinzelt.
So ist Courtney! Sie flirtet mit jedem und niemand kann ihr widerstehen.
»Warum?«, fragte ich. »Warum sollten wir zusammen zu einer Party gehen?«
Diese Frage hat dich offenbar überrascht. Ich meine, du bist, wie du bist, und normalerweise würde jeder gern mit dir
zu einer Party gehen. Schon allein, um mit dir zusammen gesehen zu werden. Jeder, ob Junge oder Mädchen! Dir wird einfach so viel Bewunderung entgegengebracht.
Wird oder wurde? Ich habe den Eindruck, dass sich das gerade verändert.
Leider ist nur den wenigsten klar, wie sorgsam du dieses Image pflegst.
»Warum wir zusammen zu einer Party gehen sollten?«, hast du zurückgefragt. »Aber Hannah, damit wir gemeinsam ein bisschen Spaß haben können.«
Ich habe dich gefragt, warum du mit mir Spaß haben willst, nachdem du mich so lange ignoriert hast. Aber du hast natürlich
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