Tote Maedchen luegen nicht
ich ihn nehmen wollte, ließ er ihn nicht los. Er sagte, dass er gleich abgelöst würde und wir auf ihn warten sollten. Ich lächelte ihn an, aber du hast meinen Arm genommen und mich durch das Tor gezogen.
»Lass das!«, sagtest du. »Vertrau mir!«
Ich habe dich nach dem Grund gefragt, aber du warst schon so damit beschäftigt, dir einen Überblick über die Gäste zu verschaffen, dass du mir nicht geantwortet hast.
Ich kann mich nicht erinnern, dass Courtney je etwas mit irgendwelchen Footballspielern zu tun hatte. Basketballer ja. Jede Menge. Aber Footballspieler? Nein.
Stattdessen hast du vorgeschlagen, dass wir uns trennen. Und weißt du, was ich gedacht habe, als du das vorschlugst, Courtney? Hoppla, das ging aber schnell!
Du hast gesagt, es gäbe da ein paar Leute, die du unbedingt sprechen müsstest, und wir würden uns ja bestimmt später noch sehen. Ich habe dich angelogen und gesagt, dass es einige Leute gäbe, die auch ich unbedingt treffen wolle.
Dann hast du mich noch ermahnt, die Party ja nicht ohne dich zu verlassen. »Du bist meine Mitfahrgelegenheit, vergiss das nicht!«
Wie hätte ich das vergessen können, Courtney?
Der Bus biegt in Courtneys Straße ein, in der zirka jedes dritte Haus zum Verkauf steht. Als der Bus an Courtneys Haus vorbeirollt, erwarte ich fast, einen großen roten Stern an ihre Haustür gesprayt zu sehen. Doch die Veranda liegt in tiefer Dunkelheit. Draußen brennt kein Licht. Und auch die Fenster sind dunkel.
Aber du hast mich angelächelt. Und schließlich die magischen Worte gesagt: »Mach’s gut!« Und das hast du wohl auch so gemeint.
»Hey, Clay, hast du deine Haltestelle verpasst?«
Ein kalter Schauer läuft mir über den Rücken.
Eine Stimme. Die Stimme eines Mädchens. Doch nicht aus dem Kopfhörer.
Jemand hat meinen Namen gerufen. Aber wer?
Auf der anderen Seite des Gangs sieht die lange Reihe der Fenster wie ein großer Spiegel aus. Darin erkenne ich ein Mädchen, das hinter mir sitzt. Sie scheint in meinem Alter zu sein. Aber kenne ich sie? Ich drehe mich um und werfe einen Blick über die Rückenlehne.
Skye Miller. In der achten Klasse war ich in sie verknallt. Sie lächelt - oder ist es mehr ein spöttisches Grinsen, weil sie weiß, dass sie mich furchtbar erschreckt hat?
Skye war schon immer ein hübsches Mädchen, aber sie benimmt sich so, als wisse sie nichts davon. Vor allem in letzter Zeit. Sie trägt nur langweilige, viel zu weite Klamotten, in denen sie fast versinkt - heute ein unförmiges graues Sweatshirt mit entsprechender Hose.
Ich nehme den Kopfhörer ab. »Hallo, Skye.«
»Hast du dein Haus verpasst?«, fragt sie. So viel hat sie schon lange nicht mehr zu mir gesagt. Zu anderen vermutlich auch nicht. »Der Fahrer hält an, wenn du ihn darum bittest.«
Ich schüttele den Kopf. Nein. Ich will nicht nach Hause.
An der nächsten Kreuzung biegt der Bus links ab und hält an der Bordsteinkante. Die Türen gleiten auf, und der Fahrer fragt, ob jemand aussteigen will.
Ich schaue nach vorne und begegne im Rückspiegel dem Blick des Fahrers. Dann drehe ich mich wieder zu Skye um. »Wo willst du hin?«, frage ich.
Das spöttische Grinsen ist wieder da. Sie sieht mich durchdringend an, als versuche sie, mich zu verunsichern. Was ihr auch gelingt.
»Nirgendwohin«, antwortet sie schließlich.
Warum verhält sie sich so? Was ist seit der achten Klasse geschehen? Warum will sie unbedingt eine Außenseiterin sein? Was hat sich verändert? Niemand weiß es. Von einem auf den anderen Tag schien sie sich von der Gemeinschaft losgesagt zu haben.
Wir erreichen meine Haltestelle. Hier sollte ich aussteigen. Ich befinde mich genau auf der Mitte zwischen zwei Sternen. Zwischen den Häusern von Tyler und Courtney.
Ich könnte aber auch sitzen bleiben und mich weiter mit Skye unterhalten. Besser gesagt, ich könnte versuchen, so was wie ein Gespräch in Gang zu kriegen. Wahrscheinlich würde ein Monolog daraus werden.
»Bis morgen«, sagt sie.
Das war’s. Ende der Konversation. Ich muss zugeben, dass mich ein Anflug von Erleichterung packt.
»Bis dann«, entgegne ich.
Ich schwinge mir den Rucksack über die Schulter und gehe
zur Fahrertür. Ich danke dem Fahrer und begebe mich erneut an die kalte Luft. Hinter mir schließt sich die Tür. Der Bus setzt sich wieder in Bewegung. Skyes Gesicht lehnt an der Scheibe, ihre Augen sind geschlossen.
Ich ziehe den Rucksack über beide Schultern und straffe die Gurte. Wieder allein, steuere ich
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