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TotenEngel

TotenEngel

Titel: TotenEngel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C Fischer
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mehr essen oder trinken durfte.
    Sie hörte, wie er hinter ihr in das Gewächshaus trat, wie er mit ihr redete, aber gerade war du darfst nicht darauf achten so stechend, dass sie ihn nicht verstand. Das gleichmäßige Sirren und Rieseln der Bewässerungsanlage schien jeden anderen Laut zu verschlucken. Die Luft unter dem Glasdach bewegte sich nicht. Sie warfeucht und gleichzeitig kühl und warm, oder vielleicht war es auch nur ihre eigene Temperatur, die wieder schwankte, das Frösteln, das Fieber, die Hitzewallungen, so schnell hintereinander. Durch die beschlagenen Seitenscheiben konnte sie die kahlen Felder sehen, auf denen sich Krähen niederließen, und dahinter das wirbelnde Laub der Birken.
    Sie sagte: »Ich wusste gleich, dass Sie ein ganz besonderer Mensch sind.«
    Sie sagte: »Wenn Sie mir nicht geantwortet hätten, wüsste ich nicht … ich wüsste nicht, was ich tun soll.«
    Sie sagte: »Es kommt mir vor, als würde ich Sie schon mein ganzes Leben lang kennen.«
    Sie sagte: »Diese Schmerzen … Manchmal wünschte ich, ich wäre tot.«
    Der Mann stand jetzt dicht hinter ihr, sie sah seine Silhouette im Glas der Kaffeemaschine. Sie drehte sich um und fragte: »Warum schauen Sie mich so an?« Er antwortete nicht. Sie lächelte – das, was sie noch an Lächeln zustande brachte. Ihre Lippen zitterten. Der Raum zwischen ihnen schrumpfte weiter, in schnellen Rucken. In der Luft lag ein Sirren wie von schwärmenden Insekten. Eine knisternde, elektrische Spannung. Ihr Herz raste plötzlich. »So haben Sie mich noch nie angesehen!«
    Sie wandte sich wieder um, und er nahm die Hände aus den Taschen. Sie legte die Tulpenzwiebel weg und reckte sich, um die Kaffeedose aus dem oberen Regalfach zu holen, gerade als etwas von hinten gegen ihren Kopf schlug, etwas, das der Mann in den Händen hielt. Sie drehte sich erschrocken um, aber sie konnte es nur ganz kurz sehen, die Hände und dazwischen etwas Durchsichtiges. Dann streifte er ihr das Durchsichtige über den Kopf, es raschelte und knisterte. Zellophan, dachte sie, und plötzlich zischte ihr Atem, und sie verstand nicht, warum , sie war noch immer erschrocken, und durch das Zellophan konnte sie das Gesicht des Mannes sehen, sein beruhigendes, tröstendes Lächeln.
    Ihr Atem raste jetzt so schnell wie ihr Herz, ihr hämmernder Puls. Das Zellophan beschlug, und es wurde heiß unter der Tüte,und sie roch ihren eigenen Atem, schal und etwas metallisch, und sie sah das Gesicht des Mannes, es war gerötet, verspannt vor Anstrengung, und sie spürte seine Hände an ihrem Nacken, wo er die Tüte festhielt, und sie sah an ihm vorbei auf die Pflanzen und das Glas und den blauen Himmel, über den lautlose schwarze Schatten huschten, das mussten Krähen sein.
    Sie wusste nicht, woher die Worte kamen. Sie waren erst in ihrem Kopf, und dann in ihrem Mund, auf ihren Lippen, aber in der Tüte klangen sie nicht mehr wie Worte, und aus der Tüte kamen sie nicht heraus. So nicht, so nicht , schrie sie und packte die Hände des Mannes, um sich die Tüte vom Kopf zu reißen. So will ich das nicht.
    Sie konnte fast nichts mehr sehen, es war wie dichter Nebel, der sie einhüllte. Die stickige, feuchte Hitze unter der Tüte. Sie spürte, wie die Beine unter ihr nachgaben. Im Bauch, wo die Schmerzen gewesen waren, wurde ihr plötzlich leicht zumute, es fühlte sich an, als ginge dort ein Gaslicht an. Sie spürte keine Schmerzen mehr, keine glühende Schraube, die sich in ihr drehte, stattdessen dieses leichte, flackernde Gas und Ruhe, fast Glück. Da rutschten die Hände des Mannes an ihrem Hals ab, und ein Schwall frischer Luft blähte das Zellophan. Die Frau stand auf einmal nicht mehr, sie kroch auf Händen und Knien. Die Hände und Knie bewegten sich wie von selbst, als sie wegkrabbelte, auf die Tür zu, hinaus auf die Felder.
    Die Tüte war noch immer über ihrem Kopf, aber jetzt lichtete sich der Nebel; sie konnte sich selbst über den Boden des Gewächshauses kriechen sehen, ihre Spiegelung im Glas. Ihr Atem ging in schnellen Stößen, keuchend und zischend atmete sie in die Tüte, und dann spürte sie, wie der Mann sie wieder packte, von hinten, und wie er sie festhielt und die Tüte um ihren Hals zudrückte. Aber sie kroch und krabbelte weiter, aus der Tür und auf das Feld, und draußen sah sie wieder die Tulpen, so genau, als wären sie wirklich da, die grünen Stängel und die feuerroten, dottergelben und schneeweißen Kelche, die ihr ins Gesicht schlugen, als sie auf das

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