Totenflut
mit dem abflieÃenden Wasser.
Er ging einer Welt entgegen, die tief unter der eigentlichen Welt lag, ein paralleles, finsteres Universum, nass und feucht und feindselig. Hier unten gab es kein Licht, hier unten war man gefangen. Eine Hölle aus Wasser, das Herz der Finsternis, und er lief durch die Adern dieses Systems, das das dreckige Blut zum Herzen pumpte, bis dahin, wo er ihm begegnen würde. Dem Kind dieser Finsternis, der sein Leben lang hier unten gelebt hatte, der für immer hier gefangen war.
Schröders Schritte wurden schneller. Axel war nicht zu sehen. Der Tunnel hatte ihn verschluckt. Seine FüÃe pflügten sich durch den dunklen Fluss, seine Arme ruderten wild, sein Atem keuchte. Er war völlig ungeschützt. Er würde direkt in sein Verderben laufen, wenn Axel hier irgendwo auf ihn lauerte. Aber Schröder glaubte nicht, dass er das tat. Die Polizei würde ihm bald folgen, bald wären Hunderte von Polizisten hinter ihm her. Axel musste flüchten, so schnell er konnte. Jetzt gab es keine Zeit mehr für ihn zu verlieren. Nicht einmal er konnte sich die Eitelkeit erlauben, über Schröder zu triumphieren.
Schröder entdeckte einen Gullyschacht. Eine matte Lichtsäule fiel durch ihn hindurch. In ihr schimmerten leuchtende Fäden aus Regen. Schröder zog seine Waffe aus dem Holster und näherte sich vorsichtig der Kanalöffnung. Er blickte in das kalte Licht und sah, dass die Gullyabdeckung fehlte. Axel musste hier aus dem Kanal gestiegen sein. Es wäre ein Leichtes für ihn, oben darauf zu warten, dass Schröder herauskam, und ihn dann zu töten. Es gab keine Möglichkeit für Schröder, sich gegen einen Angriff zu schützen. Er überlegte einen Augenblick, ob er das Risiko eingehen sollte, doch er wollte verdammt sein, wenn er es nicht versuchte. Axel hatte Elin getötet. Sie war jämmerlich ertrunken. Schröder würde ihn dafür bestrafen. Egal, was er dafür hinnehmen müsste. In diesem Moment fühlte Schröder sich unbesiegbar. Seine Wut war wie ein Schutzschild. Sie war stärker als alles, was ihm widerfahren konnte.
Schröder ergriff die erste Sprosse. Gerade als er den Fuà heben wollte, nahm er eine minimale Reflektion an der Wand wahr. Ein kleiner Lichtpunkt huschte über den schwarzen Stein. Schröder drehte seinen Kopf, und hinter ihm in einem Schatten blitzte ein Stück Metall auf. Ein blankes, poliertes Stück Metall. Eine Klinge. Die Klinge eines Skalpells. Da traf ihn auch schon ein harter Tritt in den Rücken. Der Schmerz explodierte in alle Richtungen. Er prallte gegen die rostigen Sprossen und verlor dabei seine Pistole, die sogleich im dunklen Wasser verschwand. Ein weiterer Tritt schleuderte ihn zu Boden. Axel Brender löste sich aus dem Schatten, als sei er ein Teil der Dunkelheit, und stellte sich über den im Wasser liegenden Schröder. In seiner linken Hand hielt er das Skalpell. Schröder dachte an die Waffe hinten in seinem Gürtel. Sicher hatte Axel sie gesehen, doch jetzt war sie unter Wasser. Er musste schnell sein. Er schleuderte herum und griff gleichzeitig nach hinten in seinen Gürtel, doch da hatte Axel schon seinen Arm gepackt und entriss ihm die Waffe. Mit dem Ellbogen schlug er Schröder ins Gesicht, der darauf nach vorn fiel und Blut spuckte.
»Nun sieht es schlecht aus für dich, Schröder! Hättest du gedacht, einmal so zu enden? So würdelos? Ja? Würde ist etwas, das man schnell verliert hier unten. Und man verliert sie für immer. Sie kehrt nicht zurück. Nie mehr. Du warst ein guter Gegner! Ich mochte dich! Vielleicht hätten wir Freunde werden können, unter anderen Umständen. Aber was nützt es, zu träumen? Träume sind Betrügereien! Man betrügt sich selbst, wenn man träumt! Ich muss mich jetzt von dir verabschieden!«
Axel packte Schröder an der Schulter und drehte ihn auf den Rücken. Schröders Wirbelsäule fühlte sich an, als sei er von einem rostigen Speer durchbohrt worden. Er schrie jämmerlich auf. Seine Stimme hallte durch den endlosen Tunnel. Axel drückte ihm ein Knie auf die Brust und stellte den anderen Fuà auf Schröders Gesicht und drückte es zu Boden. Schröders Oberkörper überstreckte sich, und seine Arme suchten verzweifelt nach Halt in dem dunklen Wasser. Sein nackter Hals leuchtete weià im einfallenden Licht. Seine Halsschlagader trat dick und
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