Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Totengleich

Totengleich

Titel: Totengleich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tana French
Vom Netzwerk:
seine Stimme. »Gerade eben hatten Sie noch Sorge, Sie könnten die falsche Person in Schwierigkeiten bringen. Aber rein gar nichts von dem, was Sie bisher gesagt haben, deutet auf irgendeine Person hin. Und das sagt mir, dass Sie irgendetwas ausgelassen haben.«
    Ich bedachte ihn mit einem trotzigen Lexie-Blick, Kinn erhoben. »Nein, hab ich nicht.«
    »Oh doch. Und die wirklich interessante Frage lautet, jedenfalls für mich, warum.« Frank stand auf und schlenderte gemächlich im Verhörraum herum, die Hände in den Taschen, so dass ich mich wieder und wieder umdrehen musste, um ihn anzusehen. »Wissen Sie, halten Sie mich ruhig für verrückt, aber ich hab mir wirklich eingebildet, wir wären auf derselben Seite, Sie und ich. Ich hab gedacht, wir wollten beide rausfinden, wer Sie beinahe umgebracht hat, und die Person hinter Schloss und Riegel bringen. Bin ich verrückt? Hört sich das für Sie verrückt an?«
    Ich zuckte die Achseln, drehte mich halb auf dem Stuhl, um ihn im Auge behalten zu können. Er schlenderte weiter. »Als Sie im Krankenhaus waren, haben Sie alle meine Fragen beantwortet – anstandslos, ohne Zögern, ohne großes Getue. Sie waren eine wunderbare Zeugin, Miss Madison, wunderbar und hilfsbereit. Aber jetzt zeigen Sie auf einmal kein Interesse mehr. Das heißt für mich, Sie haben entweder beschlossen, der Person, die Sie fast umgebracht hat, auch noch die andere Wange hinzuhalten – und verzeihen Sie mir, wenn ich mich täusche, aber Sie machen auf mich nicht den Eindruck einer Heiligen –, oder es hindert Sie irgendetwas anderes daran, irgendetwas Wichtigeres.«
    Er lehnte sich gegen die Wand hinter mir. Ich gab es auf, ihn weiter beobachten zu wollen, und fing an, Nagellack von meinem Daumen zu knibbeln. »Daher stellt sich mir die Frage«, sagte Frank sanft, »was könnte Ihnen wichtiger sein, als diese Person hinter Schloss und Riegel zu bringen? Sagen Sie es mir, Miss Madison. Was ist Ihnen wichtig?«
    »Gute Schokolade«, sagte ich zu meinem Daumennagel.
    Franks Tonfall veränderte sich nicht. »Ich glaube, ich habe Sie ganz gut kennengelernt. Als Sie im Krankenhaus waren, worüber haben Sie da geredet, jeden Tag, kaum dass ich zur Tür hereinkam? Worum haben Sie ständig gebeten, obwohl Sie wussten, dass wir Ihnen den Wunsch nicht erfüllen konnten? Was war das Einzige, worauf sie sich gefreut haben, an dem Tag, als Sie entlassen wurden? Was hat Sie dermaßen in Aufregung versetzt, dass Ihnen fast die Naht aufgeplatzt wäre, weil Sie schon bei dem Gedanken daran vor Freude herumgehüpft sind?«
    Ich hielt den Kopf gesenkt, knabberte an dem Nagellack. »Ihre Freunde«, sagte Frank ganz leise. »Ihre Mitbewohner. Die sind Ihnen wichtig, Miss Madison. Wichtiger als alles andere, was ich mir vorstellen kann. Vielleicht wichtiger, als dass die Person gefasst wird, die Sie niedergestochen hat. Hab ich recht?«
    Ich zuckte die Achseln. »Klar sind sie mir wichtig. Na und?«
    »Wenn Sie sich entscheiden müssten, Miss Madison. Wenn Sie sich, sagen wir nur rein theoretisch, daran erinnern würden, dass einer von ihnen Sie mit dem Messer verletzt hat. Was würden Sie tun?«
    »Die Frage stellt sich gar nicht, weil keiner von ihnen mir weh tun würde. Niemals. Sie sind meine Freunde.«
    »Genau darauf will ich hinaus. Sie schützen jemanden, und ich glaube nicht, dass das John Naylor ist. Wen sollten Sie schützen, wenn nicht einen von ihren Freunden?«
    »Ich schütze nieman–«
    Noch ehe ich eine Bewegung hörte, war er bei mir und knallte beide Hände neben mir auf den Tisch, das Gesicht nur wenige Zentimeter von meinem entfernt. Ich zuckte stärker zusammen, als es meine Absicht war. »Sie lügen, Miss Madison. Ist Ihnen denn wirklich nicht klar, wie verdammt offensichtlich das ist? Sie wissen irgendwas Wichtiges, irgendetwas, das den Durchbruch in diesem Fall bedeuten könnte, und Sie wollen nicht mit der Sprache rausrücken. Das ist Strafvereitelung. Das ist eine Straftat. Das kann Sie in den Knast bringen.«
    Ich zog ruckartig den Kopf zurück, rückte mit dem Stuhl von ihm weg. »Sie wollen mich verhaften? Weswegen? Herrgott, ich bin niedergestochen worden, ich! Wenn ich die ganze Sache einfach nur vergessen will –«
    »Von mir aus können Sie sich niederstechen lassen, sooft Sie lustig sind, das ist mir scheißegal. Aber wenn Sie meine Zeit und die meiner Leute vergeuden, ist mir das nicht scheißegal. Ist Ihnen eigentlich klar, wie viele Leute seit einem Monat an dem Fall

Weitere Kostenlose Bücher