Totengleich
ihnen mit allem zusetzen, was ich habe – Schuldgefühle, Tränen, Wutanfälle, Drohungen, das Baby, der doofe Eddie, die ganze Palette. Vielleicht krieg ich ein Geständnis –«
»Was, wie ich von Anfang an gesagt habe, nicht deine Aufgabe ist«, hielt Frank entgegen. »Schon allein wegen der lästigen Kleinigkeit, dass es vor Gericht nicht zulässig wäre.«
»Willst du etwa behaupten, du würdest ein Geständnis ablehnen, wenn ich es dir auf dem Silbertablett serviere? Selbst wenn es nicht zulässig ist, nutzen kannst du es trotzdem. Du holst sie zum Verhör, spielst ihnen die Aufnahme vor, nimmst sie so richtig in die Mangel – Justin hält schon jetzt kaum noch durch, einmal ordentlich anstupsen, und er bricht zusammen.« Ich brauchte einen Moment, um zu begreifen, woher das Déjàvu-Gefühl kam, und die Erkenntnis, dass ich genau die gleiche Diskussion mit Daniel geführt hatte wie jetzt mit Frank, löste bei mir ein seltsames kaltes Ziehen in der Magengegend aus. »Ein Geständnis ist vielleicht nicht unbedingt dein Herzenswunsch, Frankie, aber zu diesem Zeitpunkt können wir es uns nicht mehr leisten, wählerisch zu sein.«
»Ich gebe zu, es wäre besser als das, was wir im Augenblick haben. Das ist nämlich ein großer Sack Luft.«
»Na bitte. Und ich könnte vielleicht was viel Besseres rausholen. Vielleicht liefern sie uns die Tatwaffe, den Tatort, wer weiß?«
»Die alte Ketchupmethode«, sagte Frank, der noch immer interessiert seinen Daumennagel studierte. »Umdrehen, ordentlich schütteln und hoffen, dass was rauskommt.«
»Frank«, sagte ich und wartete, bis er aufsah. »Das ist meine letzte Chance. Morgen bin ich da raus. Lass sie mich nutzen.«
Frank seufzte, lehnte den Kopf gegen die Wand und blickte sich bedächtig im Raum um. Ich sah, wie er die neuen Wandkritzeleien betrachtete, die Kugelschreibertrümmer in der Ecke. »Eins würde mich brennend interessieren«, sagte er schließlich. »Wieso bist du dir so sicher, dass einer von ihnen es war?«
Mein Blut erstarrte für eine Sekunde. Frank hatte immer nur eines von mir haben wollen: eine handfeste Spur. Wenn er jetzt herausfand, dass ich bereits eine hatte, war ich erledigt, raus aus dem Fall und hatte Riesenärger am Hals, und zwar sofort. Ich würde nicht mal mehr zurück nach Glenskehy dürfen. »Na, sicher bin ich mir nicht«, sagte ich leichthin. »Aber, wie du selbst gesagt hast, sie haben ein Motiv.«
»Ja, sie haben ein Motiv. Gewissermaßen. Aber das haben Naylor und Eddie und eine ganze Reihe anderer Leute auch, von denen wir vermutlich einige noch nicht mal identifiziert haben. Unser Mädel hat sich mit schöner Regelmäßigkeit Feinde gemacht, Cass. Schön, sie hat andere nicht finanziell abgezockt – obwohl man drüber streiten könnte, schließlich hat sie sich ihren Anteil an Whitethorn House unter Vorspiegelung falscher Tatsachen erschlichen – aber sie hat sie emotional abgezockt. Und so was ist gefährlich. Sie hat riskant gelebt. Und dennoch bist du dir verflucht sicher, welches Risiko ihr schließlich zum Verhängnis wurde.«
Ich zuckte die Achseln, breitete die Arme aus. »Das ist der einzige Verdacht, dem ich nachgehen kann. Ich hab nur noch einen Tag. Ich will den Fall nicht abgeben, ohne alles versucht zu haben. Und überhaupt, was stellst du dich so an? Du hattest sie doch die ganze Zeit auf dem Kieker.«
»Oho, das hast du bemerkt? Ich hab dich unterschätzt, Kleines. Stimmt, ich hatte sie die ganze Zeit auf dem Kieker. Im Gegensatz zu dir. Vor ein paar Tagen hast du noch felsenfest behauptet, die vier wären eine Schar flauschiger kleiner Häschen, die keiner Fliege was zuleide tun könnten, und jetzt hast du auf einmal diesen stahlharten Blick in den Augen und überlegst dir, wie wir zwei sie am besten aufs Kreuz legen können. Deshalb frag ich mich, was du mir verschweigst.«
Seine Augen waren auf mich gerichtet, ruhig und unverwandt. Ich ließ einen Moment verstreichen, fuhr mir mit den Händen durchs Haar, als würde ich überlegen, wie ich es am besten formulieren sollte. »Das siehst du falsch«, sagte ich schließlich. »Ich habe bloß so ein Gefühl, Frank. Bloß so ein Gefühl.«
Frank fixierte mich lange. Ich baumelte mit den Beinen und versuchte, möglichst offen und aufrichtig zu wirken. Dann: »Okay«, sagte er plötzlich ganz sachlich, stieß sich von der Wand ab und ging zu der Kamera, um sie einzuschalten. »Abgemacht. Seid ihr mit zwei Autos gekommen, oder muss ich Danny-Boy nach
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