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Totenmesse - Patterson, J: Totenmesse - Step on a Crack

Totenmesse - Patterson, J: Totenmesse - Step on a Crack

Titel: Totenmesse - Patterson, J: Totenmesse - Step on a Crack Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Patterson
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auch immer.
    »Kennt ihr ›It Came Upon a Midnight Clear‹?«, bohrte die Frau nach, die an uns klebte. Ich wollte gerade auf ihre Ignoranz hinweisen, doch Brian, mein ältester Sohn, bemerkte den Rauch, der aus meinen Ohren drang, und kam mir zuvor.
    »Nein, Ma’am, es tut mir leid. Das Lied kennen wir nicht, aber ›Jingle Bells‹.«
    Den ganzen Weg bis zum gefürchteten Vierten sangen meine Kinder »Jingle Bells«, aber mit Schmackes, und als wir aus dem Fahrstuhl drängten, sah ich Tränen des Glücks in den Augen der Frau. Sie war schließlich auch nicht auf Urlaub hier, wurde mir klar, und mein Sohn hatte die Situation besser gemeistert als ein UN-Diplomat. Auf jeden Fall besser, als ich es je geschafft hätte.
    Ich wollte ihn auf die Stirn küssen, doch elfjährige Jungs haben schon wegen weit weniger einen Menschen getötet. Also begnügte ich mich mit einem männlichen Klaps auf seinen Rücken, als wir in einen ruhigen, weißen Flur abbogen.
    Auf der Höhe der Schwesternstation war Chrissy, die ihren Arm um Shawna gelegt hatte, ihre »Lieblingsfreundin«, wie sie sie nennt, bei der zweiten Strophe von »Rudolph the Red-Nosed Reindeer«. Die beiden Kleinen mit ihren Kleidern und Zöpfen sahen dank des aufwändigen Stylings durch ihre älteren Schwestern Juliana und Jane wie lebensgroße Puppen aus.
    Meine Kinder sind toll. Wunderbar, wirklich. Und sie hatten in letzter Zeit Unglaubliches geleistet.
    Vermutlich war ich nur sauer, weil sie dazu gezwungen waren.

    Am Ende des zweiten Flurs, in den wir bogen, saß gegenüber der offenen Tür von Zimmer 513 eine Frau in einem Rollstuhl. Sie trug ein geblümtes Kleid über ihrem 45-Kilo-Skelett und auf ihrem haarlosen Kopf eine Kappe der Yankees.
    »Mom!«, riefen die Kinder, und das Trampeln von zwanzig Füßen durchbrach die relative Stille des Krankenhausflurs.

2
    Von meiner Frau war kaum genug übrig, um sich von zwanzig Armen umfassen zu lassen, doch die Kinder schafften es irgendwie. Als ich dazukam, lagen zweiundzwanzig Arme um sie. Meine Frau war auf Morphium, Kodein und Percocet, doch völlig schmerzfrei sah ich sie immer nur bei unserer Ankunft, wenn sich alle ihre Küken an sie drückten.
    »Michael«, flüsterte Maeve mir zu. »Danke. Danke. Du siehst wundervoll aus.«
    »Du auch«, flüsterte ich zurück. »Du bist doch nicht etwa wieder allein aus diesem Bett gestiegen, oder?«
    Jeden Tag, wenn wir sie besuchen kamen, empfing sie uns lächelnd und gesellschaftsfähig gekleidet, ohne dass ihr intravenöser Schmerzmittelzugang zu sehen war.
    »Wenn du nicht auf Glanz und Glamour stehst, Mr. Bennett«, erwiderte meine Frau, die gegen die Müdigkeit in ihren glasigen Augen ankämpfte, »hättest du eine andere Frau heiraten müssen.«
    Es war der Morgen nach dem Neujahrstag gewesen, als Maeve über Bauchschmerzen geklagt hatte. Wir hatten gedacht, es sei nur eine Feiertagsmagenverstimmung, doch nachdem die Schmerzen auch zwei Wochen später nicht vergangen waren, wollte ihr Arzt eine Bauchhöhlenspiegelung durchführen, nur um sicherzugehen. Man fand Wucherungen an beiden Eierstöcken, und die Biopsie brachte das schlimmste Ergebnis, das man sich denken konnte: bösartig. Eine Woche später ergab eine Biopsie der Lymphknoten, die mitsamt der Gebärmutter herausgenommen
worden waren, ein noch schlimmeres Ergebnis: Der Krebs hatte sich unaufhaltbar ausgebreitet.
    »Lass mich dir diesmal helfen, Maeve«, flüsterte ich, als sie sich aus dem Rollstuhl nach oben drückte.
    »Willst du dich mit mir streiten?« Sie funkelte mich an. »Mr. Sturkopf-Detective!«
    Maeve kämpfte wie eine Todesfee um ihr Leben und ihre Würde. Sie nahm den Krebs hin, wie der weit überlegene Jake LaMotta 1951 seine K.-o.-Niederlage in der dreizehnten Runde gegen Sugar Ray Robinson hingenommen hatte - mit der heldenhaften Wildheit der Ungläubigen.
    Sie war selbst Krankenschwester und nutzte jeden Kontakt und jeden Funken Weisheit und Erfahrung, den sie gesammelt hatte. Sie hatte so viele Chemo- und Strahlentherapien mitgemacht, dass ihr Herz lebensbedrohlich in Mitleidenschaft gezogen worden war. Doch auch nach diesen radikalen Versuchen, nachdem alles getan worden war, was getan werden konnte, zeigte die Computertomografie wachsende Tumore in beiden Lungen, der Leber und der Bauchspeicheldrüse.
    Mit einem Zitat von Box-Legende LaMotta im Ohr sah ich zu, wie sich Maeve auf ihren wackligen Zahnstocherbeinen hinter ihren Rollstuhl stellte. »Du hast mich nicht besiegt, Ray«,

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