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Totenmond

Totenmond

Titel: Totenmond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sven Koch
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deutlich höher als üblich.
    Hans ignorierte ihn, denn er hatte eine Tür entdeckt. Ein Rolltor. Er lief hin und prüfte, ob es offen war. Hinter sich hörte er Schritte im Schnee knirschen. Leon.
    Leon sagte mit starrem Blick: »Alter, da ist nicht drin, was ich denke, dass da drin ist, oder?«
    Hans antwortete: »Ich weiß nicht. Kann sein.« Er redete wie ferngesteuert, spürte sich selbst nicht mehr.
    »Du willst da doch nicht rein jetzt, oder?«
    Doch da hatte Hans schon am Rolltor geruckt. Es war nicht verschlossen und ließ sich ohne Probleme öffnen. Er trat ein. Der Rest von Tush folgte ihm.
    Die leere Halle war in diesiges Zwielicht getaucht. Deswegen verstand Hans zunächst nicht, was er da sah. Als er es begriff, hatte er das Gefühl, sich gleich in die Hose machen zu müssen.
    »Alter«, hörte er Leon keuchen. »Alter, das sieht aus wie in einem Horrorfilm. Haben die hier einen krassen Film gedreht?«
    Mit Ersterem hatte Leon völlig recht. Da stand ein rostiger Metalltisch, der aussah, als habe jemand darauf einen Kanister schwarzes Altöl ausgeschüttet. Allerdings glaubte Hans nicht, dass es Öl war. Und sie waren noch nicht einmal in dem Raum, in den er von draußen hineingeschaut hatte. Dieser lag noch etwas weiter rechts. Eine Stahltür führte dorthin. Sie stand offen. Hans ging zu der Tür. Seine Schritte hallten durch den Raum. Die von Leon und Franky ebenfalls.
    Hinter der Tür lag eine Art Heizungsraum mit jeder Menge Rohren. Und mit jeder Menge Blut auf dem Boden. Darüber hing an einem Stahlseil das, was Hans auf dem Foto und danach durchs Fenster gesehen hatte. Der Körper einer Frau. Die Füße nach oben, Kopf nach unten. Schneeweiß und wie ein umgedrehter Jesus. Bauch und Brust waren aufgebrochen. So, als habe sich etwas von innen durch Fleisch und Knochen nach außen gewühlt.
    Hans drehte sich wie in Zeitlupe zu seinen Band-Mitgliedern um. Ihnen war das Entsetzen wie mit einem Meißel ins Gesicht gezogen worden. Franky zitterte wie Espenlaub und fasste nach rechts, um sich irgendwo festzuhalten. Da war ein Hebel. Als Franky danach packte und ihn umklammerte, setzte er einen Mechanismus in Gang. Es rumpelte laut, und Hans verstand, dass der Griff zu einer Seilwinde gehörte, die über Rollen unter der Decke verlief.
    Er folgte dem Stahlseil mit dem Blick – und verfolgte, dass sich der zerfetzte Körper mit einem Ruck absenkte und nach unten rauschte. Der Kopf schlug mit einem entsetzlichen Geräusch auf und knickte zur Seite. Dann fiel der Rest der steifgefrorenen Leiche auf den Boden.
    Ein lauter Schrei gellte durch den Raum. Hans hatte keine Ahnung, ob seiner oder der von Leon oder Franky. Was er allerdings bewusst mitbekam war, dass Leon sich zur Seite beugte und sich übergab. Er selbst sackte auf die Knie und spürte, wie es heiß zwischen seinen Beinen wurde, als sich seine Blase schlagartig entleerte.

6.
    E r ist ein Dreckskerl.«
    Helens Stimme übertönte das Kindergeschrei. Sie biss in ein Stück Mikrowellenpizza.
    »Ein mieser Dreckskerl sogar«, entgegnete Alex in der gleichen Lautstärke.
    Die Luft war zum Schneiden. Es roch nach einem Gemisch aus Körperausdünstungen, Fritteusenfett und Reinigungsmitteln. Zu Hause, dachte Alex, würde sie als Erstes gründlich duschen und ihre Sachen sofort in die Waschmaschine werfen. Zwei Jungs sausten auf Dreirädern an dem weißen Plastiktisch vorbei und fuhren beinahe den Stuhl um, auf dem Lisas Sachen lagen.
    Helen war Alex’ beste Freundin und mit ihrer Tochter übers Wochenende zu Besuch. Nachher würden sie wieder zurück nach Düsseldorf fahren. Lisa hüpfte auf dem Trampolin der Indoor-Spielewelt mit der Schwerkraft um die Wette, während Alex sich eine Pause gönnte. Sie hatte den nackten Fuß auf einem Klappstuhl hochgelegt. Hoffentlich würde sie als Andenken nicht einen Pilz zwischen den Zehen bekommen. Aber ohne Socken kam man besser die Luftkissenrutsche hoch – ein Trick, den Lisa Alex verraten hatte. Der zweite notwendige Trick war, die Zähne zusammenzubeißen und nicht an den Schmerz im Fußgelenk zu denken.
    »Weißt du«, sagte Helen, »ich habe ihn zwar verlassen, aber das gibt ihm noch lange nicht das Recht, sich sofort eine andere zu nehmen. Für wen hält der mich? Für ein Möbelstück, das man einfach ersetzen kann?« Helen mümmelte an der Pizza. Unter ihren wippenden blonden Locken funkelten die blauen Augen. »Und guck mich nicht so vorwurfsvoll an. Diese Pizza ist verdammt lecker!«
    Alex sagte:

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