Totenmond
jungen Menschen gegenüber. Weil dieser Mensch gänzlich unschuldig war. Weil es Alex’ Job war, die Unschuldigen zu schützen, zur Not auch mit ihrem Leben. Weil Mia nur ihretwegen in diese Lage geraten war. Weil es nur um Alex und Berner ging.
Jan betrachtete Alex eine Weile. Schließlich sagte er: »Ja dann …« Er hob die Hand zum Abschied.
Alex umfasste die Griffe der Boxen so fest, dass es weh tat. »Darf ich dich anrufen?«, fragte sie im Ausatmen.
»Gib mir ein wenig Zeit. Da sind ein paar Dinge, mit denen ich klarkommen muss. Mia wäre beinahe gestorben. Ohne dich wäre sie nie in diese Situation gekommen. Ohne dich hätte sie aber auch nicht überlebt. Es ist nicht deine Schuld, sondern die von diesem Perversen. Andererseits ist es aber doch irgendwie deine Schuld, und …« Jan schlug mit dem Handballen gegen den Türrahmen. »Es ist schwer, Alex. Die Zeit wird es zeigen.«
»Verstehe.« Alex nickte und biss sich auf die Zunge, um sich davon abzulenken, dass ihr die Tränen in die Augen zu schießen drohten.
»Mach’s gut, Alex.«
»Mach’s gut, Jan.«
Rasch drehte sie sich um und lief die Treppen hinab. Mit dem Ellbogen drückte sie die Klinke an der Haustür und schlüpfte umständlich ins Freie. Sie überquerte die Straße, betrat den Bürgersteig und setzte neben dem Mini die beiden Boxen ab. Das Katzenklo stellte sie in den Kofferraum, den Transportkorb mit Hannibal auf den Beifahrersitz.
Bevor sie in den Wagen stieg, warf sie noch einen Blick nach oben zu den Fenstern von Jans Wohnung und atmete tief durch. Wie Marc Berner unter ihrem Fenster, stand sie jetzt unter Jans, überlegte Alex und dachte an eine Zeile aus dem Song von Sting.
Ich bin verdammt zu lieben, was ich zerstöre, und zu zerstören, was ich liebe.
Sie setzte sich ans Steuer, wischte sich durch die feuchten Augen und steckte zwei Finger durch die Gitter zu Hannibal. Sofort stupste er mit dem Kopf dagegen und begann, sie abzuschlecken. Alex gab ein ersticktes Lachen von sich. »Da sind wir nun wieder, wir beiden.«
Schließlich ließ sie den Motor an und fuhr davon.
Nachwort und Danksagung
D ie Leopardenmenschen Afrikas haben in den 1930er und 40er Jahren die Phantasie von Autoren wie Edgar Rice Burroughs beflügelt. Sein »Tarzan and the Leopard Men« erschien 1935. Drehbuchautoren ließen sie in Abenteuer-B-Movies auftauchen. Sie kommen in Comics wie »Tim und Struppi im Kongo« und anderen vor. Manche Diktatoren haben sich gern mit Insignien der Gesellschaft gezeigt – sogar auf Geldscheinen.
Gruppen wie die Leopardengesellschaft oder andere Geheimbünde – Pavianmenschen, Krokodilmenschen Löwenmenschen – sind der große Schreck der Kolonialmächte gewesen und waren über Jahrzehnte hinweg nur schlecht in den Griff zu bekommen. Es gibt aus den Jahren 1912 und 1913 Zeitungsberichte über Massenverhaftungen und -hinrichtungen von Leopardenmenschen in Sierra Leone und anderen Teilen Westafrikas an der »Goldküste«.
Neben Medienberichten über die Geheimgesellschaft gibt es außerdem historische Betrachtungen von Kolonialbeamten, Gerichts- und Polizeiberichte, Untersuchungen von Völkerkundlern, Beobachtungen von Missionaren oder dem »Dschungeldoktor« Werner Junge, der um 1930 nach Westafrika ging. Aus seinen Lebenserinnerungen stammt eine medizinische Beschreibung von Opfern der Leopardenmenschen. Ihr Fetisch-Gott wird in der Literatur mal Borfima, mal Bohfimah genannt. Ich habe die letztere Schreibweise gewählt.
Berichte über die Leopardenmenschen – auch wenn sie wahr waren – haben natürlich das Klischeebild von den »Wilden« Afrikas unterstrichen.
Dank gebührt – wie immer – meinen Lektorinnen Andrea Hartmann und Regine Weisbrod, die mich und diese Geschichte mit ihren Anmerkungen und Anregungen auf den richtigen Weg gebracht haben. Ihr wisst, dass der Weg lang und steinig war. Ohne meine Literaturagentin Natalja Schmidt wäre aus diesem Alex-von-Stietencron-Roman keiner geworden – herzlichen Dank also auch nach Speyer. Viele andere haben mich bei diesem Buch auf die eine oder andere Art und Weise unterstützt, ohne es bewusst mitbekommen zu haben. Am meisten Dank aber gebührt meiner Frau Claudia, die mich immer und auf allen Ebenen beim Schreiben meiner Bücher unterstützt.
Sven Koch
Über Sven Koch
Sven Koch, geboren 1969, arbeitet als Redakteur bei einer Tageszeitung. Auch als Fotograf und Rockmusiker hat er sich einen Namen gemacht. Sven Koch lebt mit seiner Familie in
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