Totenmontag: 7. Fall mit Tempe Brennan
Montreal gekommen, um mich auf eine Gerichtsverhandlung am Dienstag vorzubereiten. Ein Mann war angeklagt, seine Frau ermordet und zerstückelt zu haben. Ich sollte die Sägespurenanalyse erläutern, die ich an ihrem Skelett vorgenommen hatte. Die Materie war kompliziert, und ich hatte meine Unterlagen noch einmal durchgehen wollen. Stattdessen fror ich mir hier im Keller einer Pizzabäckerei den Arsch ab.
Schon früh an diesem Morgen hatte Pierre LaManche mich in meinem Büro besucht. Ich kannte diese Miene und wusste daher sofort, was auf mich zukam.
Im Keller eines Pizza-Straßenverkaufs habe man Knochen gefunden, sagte mein Chef. Der Besitzer habe die Polizei gerufen. Die Polizei habe den Coroner gerufen, den Leichenbeschauer also. Der Coroner habe das Gerichtsmedizinische Institut angerufen.
LaManche wollte, dass ich der Sache nachging.
»Heute?«
» S’il vous plaît. «
»Ich muss morgen in den Zeugenstand.«
»Der Pétit-Prozess?«
Ich nickte.
»Die Überreste sind wahrscheinlich die eines Tiers«, sagte LaManche in seinem präzisen Pariser Französisch. »Es sollte nicht lange dauern.«
»Wo?« Ich griff nach einem Notizblock.
LaManche las die Adresse von dem Zettel in seiner Hand ab. Rue Ste. Catherine, einige Blocks östlich des Centre-ville.
CUM-Revier.
Claudel.
Der Gedanke, mit Claudel arbeiten zu müssen, war der Grund für das erste »Verdammt« dieses Vormittags gewesen.
Es gibt einige kleinstädtische Dienststellen in der Umgebung der Inselstadt Montreal, aber die beiden Hauptakteure bei der Strafverfolgung sind die SQ und die CUM. La Sûreté du Québec ist die Provinzbehörde. Die SQ hat auf dem flachen Land das Sagen und in Orten, die keine eigene städtische Dienststelle haben. Die Police de la Communauté Urbaine de Montreal, oder CUM, ist die Großstadtpolizei. Die Insel gehört der CUM.
Luc Claudel und Michel Charbonneau sind Detectives bei der Abteilung Schwerverbrechen der CUM. Als forensische Anthropologin für die Provinz Quebec habe ich im Lauf der Jahre mit beiden gearbeitet. Mit Charbonneau war es immer ein Vergnügen. Luc Claudel ist zwar ein guter Polizist, hat aber die Geduld eines Knallfrosches, das Einfühlungsvermögen von Vlad dem Pfähler und eine beharrliche Skepsis, was den Wert der forensischen Anthropologie angeht.
Schicke Garderobe, zugegeben.
Dr. Energy’s Kiste war bereits voller Knochen gewesen, als ich zwei Stunden zuvor hier im Keller angekommen war. Obwohl Claudel mir viele Details erst noch liefern musste, nahm ich an, dass der Besitzer der Knochensammler gewesen war, vielleicht mit der Unterstützung des glücklosen Klempners. Meine Aufgabe war es gewesen, zu bestimmen, ob die Überreste menschlichen Ursprungs waren.
Sie waren es.
Diese Feststellung hatte zum zweiten »Verdammt« dieses Morgens geführt.
Meine nächste Aufgabe war es gewesen, herauszufinden, ob in der Ruhestätte unter dem Kellerboden sonst noch jemand lag. Dazu hatte ich drei Erkundungstechniken benutzt.
Ein schräges Ableuchten des Kellerbodens mit einer Taschenlampe hatte Vertiefungen im Erdreich gezeigt. Behutsames Stochern mit einer Sonde hatte Widerstände unter jeder Vertiefung ergeben, was auf Objekte unter der Oberfläche hindeutete. Versuchsgrabungen hatten menschliche Knochen an den Tag gebracht.
Das hatte die Aussichten auf ein entspanntes Durchsehen der Pétit-Akten dramatisch verschlechtert.
Claudel und Charbonneau hatten mit »Verdammt« Nummer drei bis fünf reagiert, als sie meine Einschätzung hörten. Zur Verstärkung hatten sie noch ein paar Quebecer Flüche hinzugefügt.
Wir hatten die SIJ gerufen. Die Spurensicherungsroutine lief an. Scheinwerfer wurden aufgestellt. Fotos wurden geschossen. Während Claudel und Charbonneau den Besitzer und seinen Gehilfen befragten, wurde ein Bodendurchdringungsradar durch den Keller gezogen. Das BDR zeigte Störungen, die in etwa zehn Zentimeter Tiefe in jeder der beiden Senken begannen. Ansonsten war der Keller sauber.
Während Claudel mit seiner Halbautomatik den Rattenfänger spielte, machten die SIJ-Techniker Pause, und ich baute zwei simple, quadratische Gitternetze. Ich band eben die letzte Schnur an den letzten Pflock, als Claudel seine Rambo-Nummer mit den Ratten abzog.
Und jetzt? Warten, bis die Spurensicherung zurückkommt?
Bestimmt.
Mit der Foto- und Videoausrüstung der SIJ fotografierte und filmte ich. Dann rieb ich mir Durchblutung in die Hände, zog meine Handschuhe wieder an und begann, im
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