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Totennacht (German Edition)

Totennacht (German Edition)

Titel: Totennacht (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Todd Ritter
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gefragt, warum er das getan habe», fuhr Ken fort. «Seine Antwort lautete: weil wir, Maggie und ich, ihn loswerden wollten.»
    «Wollten Sie das?», fragte Nick.
    «Natürlich nicht. Ich habe Charlie von ganzem Herzen geliebt. Aber als ich sein Gesicht mit diesem stumpfen Ausdruck im Licht der Taschenlampe sah, habe ich nur noch Wut, Gewissensbisse und Angst empfunden. Vor allem Angst. Ich schaute ihm in die Augen und erkannte darin weder Reue noch irgendetwas anderes. Er wirkte wie ein Monster auf mich. Stellen Sie sich vor, er hat Eric zwei Mal zu töten versucht, und ich war mir sicher, dass er es wieder versuchen würde.»
    Ken berichtete, aus dem Bunker gestiegen zu sein und Charlie darin zurückgelassen zu haben. Er hatte Craig den Säugling aus den Armen genommen, ihm gegenüber wiederholt, was Charlie gesagt hatte, und gestanden, Angst vor dem Jungen zu haben. Was absurd geklungen haben musste. Ein erwachsener Mann, der sich vor seinem minderjährigen Sohn fürchtete! Aber genau so war es, und Ken wusste sich nicht zu helfen.
    «Ich konnte ja schlecht die Polizei rufen. Nicht nachdem Charlie erfahren hatte, dass Maggie und ich nicht seine leiblichen Eltern waren. Die Polizei hätte uns der Kindesentführung bezichtigt und uns wahrscheinlich auch noch Eric weggenommen. Charlie zurück ins Haus zu holen und darauf zu hoffen, dass so etwas nicht wieder passierte, war mir zu gefährlich. Und da sagte Craig, er werde ihn zu sich nehmen.»
    «Um für ihn zu sorgen?»
    «Ja», antwortete Ken. «Er sagte, er könne ihn wieder auf die Spur bringen. So wie die anderen Jugendlichen in der Besserungsanstalt. Er plane, ein Freizeitlager für straffällig gewordene Jugendliche einzurichten.»
    Sie passierten ein Schild, das die Stadtgrenze von Mercerville markierte, und waren wieder in der Gemeinde von Perry Hollow.
    «Ich war nicht glücklich darüber», sagte Ken. «Und mir war klar, dass Maggie damit nicht einverstanden sein würde. Sie hing an Charlie, auch wenn sie das nicht immer zeigte. Aber ich weiß noch, wie zärtlich sie in den Stunden nach seiner Geburt mit ihm umgangen ist, wie liebevoll sie sich auch in den Jahren danach um ihn gekümmert hat. Er war für sie wie ein eigenes Kind. Dabei hatten wir ihn eigentlich nur aus Mitleid zu uns genommen. Aus Gefälligkeit Freunden gegenüber. Und nun bot uns einer dieser Freunde an, Charlie zurückzunehmen.»
    «Sie waren also einverstanden?», fragte Nick.
    «Schweren Herzens, ja. Aber ich musste auch an Eric denken. An seine Sicherheit. Charlie seinem leiblichen Vater zu überlassen schien mir die beste Lösung zu sein.»
    «Aber Ihnen muss doch klar gewesen sein, dass Maggie nach ihm suchen würde.»
    Den Blick auf die Straße gerichtet, nickte Ken kaum merklich mit dem Kopf. «Um das zu verhindern, mussten wir sie glauben machen, dass Charlie tot ist.»
    «Sie sind also ins Haus zurückgegangen und haben sein Fahrrad geholt.»
    «Ja», erwiderte Ken. «Ich warf es von der Brücke in den Fluss und hoffte, die Polizei würde es finden und zu dem Schluss kommen, dass Charlie über die Klippen gestürzt und ertrunken ist.»
    Sein Plan war fast aufgegangen. Allerdings hatte Deputy Owen Peale das Fehlen von Reifenspuren bemerkt, und das wiederum hatte Maggie Olmstead nicht ruhen und jahrzehntelang nach Charlie suchen lassen, der in Wirklichkeit gar nicht verschwunden war.
    Ken erzählte auch den Rest der unglücklichen Geschichte: «Als das Fahrrad im Wasser lag, stieg Craig in den Bunker und machte sich mit Charlie bekannt. Ich brachte Eric nach Hause und sah Charlie nie wieder.»
    «Und als die beiden weg waren, haben Sie die Polizei verständigt?»
    «Ja, ich sagte, Charlie sei verschwunden. Danach habe ich Mort und Ruth Clark geweckt und sie gebeten, bei der Suche zu helfen. Von diesem Moment an galt Charlie offiziell als vermisst.»
    Ken schluchzte und konnte nicht mehr an sich halten. «Ich habe ihn getötet. Ich habe einen meiner Söhne getötet, um den anderen zu retten.»
    «Es war richtig, Charlie von Eric zu trennen», meinte Nick. «Aber Sie hätten der Polizei die Wahrheit sagen sollen.»
    Denn Charlie war ein Monster. Von seinem kleinen Bruder getrennt, hatte er nach anderen Opfern gesucht. Mit Erfolg. Im Fall Dennis Kepner, der ganz in der Nähe wohnte. Im Fall Noah Pierce, den er wahrscheinlich mit Dennis’ Modellrakete in eine verlassene Mühle gelockt hatte. Im Fall Dwight Halsey, mit dem er sich in Camp Crescent eine Hütte geteilt hatte. Und in den

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