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Totennacht (German Edition)

Totennacht (German Edition)

Titel: Totennacht (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Todd Ritter
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Vorsatz in die Stadt gekommen, sich mit Mort und Ruth auszusprechen, aber dann habe er sich nicht getraut, bei ihnen anzuklopfen.»
    Ken berichtete von dem Gespräch mit Craig. Er habe anfangs geduldig zugehört, sagte er, und erfahren, dass Craig als Schließer in einer Justizvollzugsanstalt für Jugendliche angestellt war. Er komme gut mit ihnen zurecht und wolle auf dem Grundstück, das er geerbt habe, ein Freizeitlager für sie einrichten.
    «Er sagte, er habe sich geändert, sei aber sehr einsam. Ihm sei erst nach dem Tod seines Vaters klargeworden, dass es in seinem Leben eine schmerzliche Leerstelle gebe.»
    «Und die sollte nun Charlie auffüllen?», fragte Nick.
    «Er wollte uns Charlie nicht wegnehmen», fuhr Ken fort, «ihn nur kennenlernen und sehen, wie groß er schon geworden war. Aber es gab da ein Problem. Charlie wusste nicht, wer er war.»
    Ken fuhr mit Vollgas, doch als es den Hügel hinaufging, den sie soeben überquert hatten, verlor der Laster an Tempo.
    «Haben Sie Charlie nie erklärt, wer seine leiblichen Eltern sind?», fragte Nick.
    «Wir konnten doch niemandem etwas sagen. Nicht, solange seine Großeltern nebenan wohnten. Alle in der Straße hielten ihn für unseren leiblichen Sohn, und das sollte so bleiben. Sonst hätten die Clarks wahrscheinlich das Sorgerecht für ihn eingeklagt. Und wir wären womöglich wegen Kindesentführung vor Gericht verurteilt worden. Dass sich nach seiner Geburt sonst niemand um ihn gekümmert hätte, ist der Rechtsprechung egal.»
    «Wie hat Craig darauf reagiert?»
    «Ungehalten», antwortete Ken. «Er wiederholte mehrfach, dass Charlie ein Recht darauf habe, seinen wahren Vater kennenzulernen. Er müsse wissen, dass wir nicht seine leiblichen Eltern seien. Craig wurde immer lauter, so laut, dass er fast das ganze Haus geweckt hätte.»
    Charlie, sagte Ken, sei tatsächlich wach geworden.
    «Sein Schlafzimmer lag direkt über dem Wohnzimmer. Vielleicht hat er nicht jedes Wort verstanden, aber offenbar hatte er genug gehört. Jedenfalls bin ich mit Craig nach draußen und habe von ihm verlangt, leise zu sein. Während wir vor der Tür standen, muss Charlie durch die Hintertür entwischt sein.»
    «Wollte er durchbrennen?», fragte Nick.
    «Das glaube ich nicht», antwortete Ken. «Er hatte das Baby bei sich.»
    Ken und Craig hatten rund zehn Minuten auf der Eingangsveranda gestanden und miteinander gestritten, als sie hörten, wie jemand durch den Regen herbeigelaufen kam. Es war Glenn Stewart. Mit Eric im Arm.
    «Der Kleine war tropfnass. Ich habe Glenn gefragt, was passiert sei, und er sagte, Eric sei fast ertrunken.»
    «Ertrunken?», wiederholte Nick. «Im Fluss?»
    «Glenn war ebenfalls völlig durchnässt», fuhr Ken fort. «Da dämmerte es mir. Ich wusste, was Charlie getan hatte, noch ehe Glenn zu Wort kam.»
    «Wieso?»
    «Weil er es schon einmal versucht hatte. Im Mai. Damals war’s die Badewanne. Ich habe Maggie dafür verantwortlich gemacht und ihr die Schuld daran gegeben.»
    Sie hatten die Hügelkuppe überquert und fuhren nun bergab. Der Motor heulte so laut auf, dass Ken kaum mehr zu hören war, zumal er mit gedeckter, monotoner Stimme sprach. Er klang, als wäre er innerlich abgestorben.
    «Ich bin rein und habe in Charlies Zimmer nachgesehen, weil ich Glenns Worte nicht wahrhaben wollte und hoffte, den Jungen dort schlafend vorzufinden. Aber er war tatsächlich fort. Daraufhin habe ich mir eine Taschenlampe geschnappt und ihn da gesucht, wo ich glaubte, dass er sich versteckt hielt.»
    «Und? War er dort?»
    «Ja», antwortete Ken. «Craig kam mit mir. Ich gab ihm das Baby, um in den Schacht hinabsteigen zu können. Charlie saß auf einer der Pritschen und ließ die Beine baumeln. Als ich ihm ins Gesicht leuchtete, rührte er keine Miene. Ich fragte, ob er Eric tatsächlich in den Fluss geworfen habe und ob ihm klar sei, dass sein Bruder fast ertrunken und von den Klippen gestürzt wäre.»
    «Und was hat Charlie darauf geantwortet?»
    «Er sagte, na klar, das habe er ja auch so gewollt.»
    Nick schloss die Augen und legte eine Hand auf seine Magengrube. Ihm wurde übel bei dem Gedanken an einen kleinen Jungen – zehn Jahre erst, herrje –, der sein kleines Brüderchen umzubringen versuchte. Als seine eigene Schwester ermordet worden war, hatte er das Gefühl gehabt, ein Teil von ihm wäre mit ihr gestorben. Er konnte sich nicht vorstellen, dass jemand in der Lage war, anderen absichtlich solche Schmerzen zuzufügen.
    «Ich habe ihn

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