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Totennacht (German Edition)

Totennacht (German Edition)

Titel: Totennacht (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Todd Ritter
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gefolgt von Charlie, der neugierig den Hals reckte.
    «Tatsächlich, da ist die Brücke», sagte er aufgeregt. «Ich dachte, sie wäre längst abgebaut worden.»
    «Das wird sie auch bald», erklärte Eric.
    Sein Bruder klopfte ihm auf die Schulter. «Ein Grund mehr, sie ein letztes Mal zu überqueren.»
    Als sie den Holzbock erreichten, der vor der Brücke stand, sprang Charlie mit einem Satz darüber hinweg. Eric ging darum herum. Noch ein Unterschied zwischen den beiden.
    «Sei vorsichtig», rief Eric. «Die Brücke ist ziemlich wacklig.»
    Charlie nahm die Warnung ernst und trat vorsichtig auf die Planken. «Ob sie zwei Männer tragen?»
    «Zwei ja», antwortete Eric. «Drei wahrscheinlich nicht.»
    Er war inzwischen selbst auf der Brücke, versuchte, Charlies Schritten zu folgen, und stieg über das Loch hinweg, durch das Kat zwei Tage zuvor gestürzt war. Manche Planken knarrten unter seiner Last, und die ganze Brücke geriet ein wenig in Schwingung, schien aber zu halten. Schulter an Schulter stellten sich die beiden an den Handlauf der Brüstung und schauten hinab in die reißende Strömung.
    «Gefällt’s dir?», fragte Charlie.
    «Ja», antwortete Eric, der sich so wohl fühlte wie lange nicht mehr. «Dir auch?»
    Charlie legte ihm einen Arm auf die Schulter. «Und wie, mein Bruder.»
    Im Wald auf der rechten Seite waren plötzlich Geräusche zu hören. Zweige knackten und schlugen aneinander. Auf dem Pfad, der zur Brücke führte, näherten sich eilende Schritte. Jemand kam auf sie zugelaufen.
    Eric drehte sich um und sah Kat Campbell auftauchen. Sie hatte ihre Waffe gezogen und hob sie an, als sie die Brücke erreichte.
    «Charlie, Hände hoch und rücken Sie von ihm ab.»
    Nicht Charlie, sondern Eric hob die Hände und hielt sie in Hüfthöhe seitlich weg vom Körper. «Kat, was soll das?»
    «Komm runter von der Brücke, Eric.»
    «Ich verstehe nicht. Was ist passiert?»
    Plötzlich spürte er, wie sich ihm der Arm des Bruders würgend um den Hals schlang. Unmittelbar darauf prallte er unsanft mit der Brust vor den Handlauf der Brücke. Charlie stand hinter ihm und hielt ihn in Schach.
    «Wenn Sie näher kommen, stirbt er», brüllte er Kat zu. «Haben Sie mich verstanden? Ich werfe ihn von der Brücke, so wie damals, als er noch ein Säugling war.»

35
    Nick fuhr mit Ken Olmstead in dessen Lastwagen. Es war ihm nichts anderes übrig geblieben. Als Ken hörte, dass sich Charlie in Perry Hollow aufhielt, war er sofort in die Fahrerkabine zurückgestiegen, um sich auf den Weg zu machen. Nick hatte nur noch seinen Stock aus dem Auto holen und auf den Beifahrersitz neben Ken klettern können. Sein eigener Wagen blieb auf der Auffahrt zurück und würde zweifellos früher oder später angefahren oder anderweitig ramponiert werden.
    Nick ahnte jedoch, dass sich das Opfer lohnte. Denn Ken rückte mit der Sprache heraus und berichtete, was sich in der Nacht vom 20. auf den 21. Juli 1969 zugetragen hatte.
    «Es sah alles nach einem gemütlichen Abend aus», sagte er. «Nach dem Essen brachte Maggie den Säugling ins Bett und legte sich selbst schlafen. Wie an jedem Abend.»
    «Wo war Charlie?», fragte Nick.
    «Auf seinem Zimmer. Normalerweise hätte er auch im Bett sein müssen. An diesem Abend aber haben wir ihm erlaubt, noch einmal aufzustehen und sich die Mondlandung im Fernsehen anzusehen. So was kriegt man schließlich nicht alle Tage geboten. Doch dann kam alles anders als gedacht.»
    Laut Ken war kurz nach zehn ein vorsichtiges Klopfen an der Haustür zu hören gewesen. Er war sofort aufgesprungen und in die Diele hinausgeeilt, weil er nicht wollte, dass Maggie und der Kleine geweckt würden. In der Annahme, Mort und Ruth Clark wären gekommen, weil deren Fernseher häufiger streikte, öffnete er die Tür. Doch nicht seine Nachbarn standen davor, sondern ein Mann.
    Ein Mann, den er kannte.
    Ein Mann, den er über zehn Jahre nicht mehr gesehen hatte.
    «Es war Craig Brewster», erklärte Ken. «Er wollte seinen Sohn sehen. Dabei hatte er nach Jennifers Tod mir und Maggie versichert, uns nie mehr zu belästigen. Aber da stand er nun vor meiner Tür und flehte mich an, Charlie sehen zu dürfen.»
    «Warum ausgerechnet an diesem Abend?», fragte Nick. «Nach so langer Zeit?»
    «Ein paar Tage zuvor war sein Vater gestorben, und seitdem hatte er immer wieder daran gedacht, dass es ein großer Fehler von ihm gewesen war, Jennifer zu verlassen und uns den Jungen anzuvertrauen. Er sagte, er sei mit dem festen

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