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Totenreigen

Totenreigen

Titel: Totenreigen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dietmar Lykk
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schnallten ihn fest und schoben ihn in den
Notarztwagen. Der Motor wurde angelassen. Der Assistent streckte den Arm aus,
um die Hecktüren zuzuschlagen.
    »Haben Sie einen Plastiksack für Mantel und Jacke?«, rief Lüthje.
»Für die Spurensicherung! Meine Kollegen werden gleich hier sein.«
    Lüthje bekam Jacke und Mantel in einem Plastiksack nach draußen
gereicht. Die Hecktüren klappten zu, das Martinshorn quäkte ohrenbetäubend, und
das Blaulicht flackerte auf, als der Wagen wegfuhr.
    Lüthje rief den Kriminaldauerdienst an, schilderte kurz die
Geschichte und forderte einen Wagen an, der den Plastiksack ins Labor beim
Landeskriminalamt fahren sollte.
    Er fingerte Einmalhandschuhe aus seinem Rucksack und zog sie an,
ohne den Plastiksack auch nur eine Sekunde abzusetzen. Er schulterte den
Rucksack, hielt den Plastiksack mit den Kleidern in der rechten Hand und trat
näher an die Straße, damit ihn der Wagen des Kriminaldauerdienstes sehen
konnte.
    Ein Bus fuhr vorbei Richtung Hummelwiese. Gesichter starrten ihn
durch die vor Nässe blinden Scheiben an.
    Hinter ihm ging eine Frau auf hohen Absätzen vorbei und begann
plötzlich zu laufen. An der nächsten Straßenkreuzung drehte sie sich zu Lüthje
um. Sicher wollte sie sich nur vergewissern, dass der Mann mit dem komischen
Plastiksack nicht hinter ihr hergelaufen war.
    Ein aufgemotzter Polo mit tiefergelegtem Fahrgestell hielt vor
Lüthje. Die stampfenden Bässe im Rhythmus beschleunigten Pulsschlages wurden
leiser gedreht.
    Ein junger Mann streckte seinen kahl geschorenen Schädel aus dem
Seitenfenster und schrie: »Na, Opa, hat die Alte dich endlich rausgeschmissen?«
    Wieherndes Gelächter aus dem vollen Polo, der Bass begann wieder zu
hämmern. Ein Fressen für jeden Streifenwagen. Lüthje stand im Dunstkreis der
Alkoholfahnen, nachdem der »Kinderwagen« verschwunden war.
    Er fragte sich, wo die Kollegen vom Kriminaldauerdienst blieben.
Vielleicht waren sie mit dem Anruf einer Frau beschäftigt, die einen älteren
Mann am Straßenrand gesehen hatte, mit verzweifeltem Gesichtsausdruck, Rucksack
und einem Plastiksack, in dem irgendetwas Schweres sein musste. Vielleicht
Körperteile. Die rechte Hand hatte der Mann in einer abgewetzten Cordjacke, als
hielte er eine Waffe.
    Ein schwarzer Passat, mit unauffälligem Kennzeichen und zwei
auffällig unauffälligen Männern, Altersgruppe zwischen dreißig und vierzig,
hielt vor Lüthje. Endlich. Der Kriminaldauerdienst.
    »Na, Herr Lüthje, wieder mal in Kiel fündig geworden?«
    Ein Kopf mit flott gegelter Frisur erschien im heruntergefahrenen
Seitenfenster. Kommissar Harder! Jetzt vielleicht Oberkommissar. Lüthje hasste
dessen überhebliche Flapsigkeit. Der Mann, den Malbek aus seinem Dezernat
geschmissen hatte. Harder hatte sich auch nach Flensburg beworben, Lüthje hatte
ihn abgelehnt, Perlenbach vom Betrugsdezernat in Kiel hatte ihn schließlich
genommen.
    »Ist nicht schwer, wenn man hier die Augen aufhält«, sagte Lüthje.
    »Schlechte Laune?«, fragte Harder.
    »Auch der Löwe muss sich gegen Mücken wehren«, sagte Lüthje. »Was
ist? Wollen Sie nicht wenigstens die Tür aufmachen, Harder? Wenn ich den
Müllsack durch das Seitenfenster quetsche, ist Ihre Frisur hinüber!«
    Harder quälte sich langsam aus der Tür und nahm die Tüten mit
angeekeltem Gesichtsausdruck entgegen und stellte sie auf den Rücksitz. Der
Fahrer sah mit gleichgültiger Miene nach vorn durch die Windschutzscheibe, als
würde er die Kabbelei nicht bemerken.
    »Und noch was, Harder …«, sagte Lüthje laut, weil zwei Li nienbusse
vorbeifuhren, »… holen Sie seine restliche Kleidung aus der Notaufnahme
ab, die muss auch auf Spuren untersucht werden.«
    Harder tat so, als hätte er es nicht gehört, und schlug die Wagentür
zu. Die Kleidungsstücke aus der Notaufnahme würde normalerweise eine Streife
von der Schutzpolizei abholen und zur Kripo bringen. Das konnte dauern, und das
wusste Harder natürlich.
    Lüthje riss die Wagentür wieder auf. »Oder soll ich es Ihnen
aufschreiben, damit Sie es nicht vergessen? In meinem Bericht werde ich Sie
gebührend erwähnen, das verspreche ich Ihnen. Und jetzt ab!«
    Lüthje schlug die Wagentür wieder zu. Der Fahrer blies die Backen
erleichtert auf, und mit quietschenden Reifen und Blaulicht jagte der Wagen
los. Lüthje machte sich erleichtert auf den Weg zu seinem Auto auf dem Exerzierplatz.
    Die Kieler Woche war gestern eröffnet worden. Von der Hörn, der
Fördespitze, über den

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