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Totenreise

Totenreise

Titel: Totenreise Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Lozano Garbala
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Opfer immer näher, während sie ihre Spur von der grünlich dampfenden Flüssigkeit hinterließen.
    Atemlos und wie rasend kletterte Pascal empor und musste mit einem entsetzten Blick über die Schulter feststellen, dass die Monster nur noch wenige Meter von ihm entfernt waren. Viel näher als der Spiegel, der ihn mit seinem Licht anspornte, seine Flucht fortzusetzen. Er musste ihn erreichen.
    Schon streckte der vorderste seiner schleimigen Verfolger den Körper, und der aufgerissene Kiefer streifte beinahe Pascals Turnschuhe. Durch den ganzen Körper spürte er die feuchte Wärme der Zunge des Tieres, das ihn gierig einzuholen versuchte.
    Pascal würde es nicht zum Spiegel schaffen; schon konnte er hören, wie sich der Riesenwurm sein Maul leckte. Und hinter ihm glitten die Körper der beiden anderen.
    Plötzlich fielen Pascal trotz seiner Panik die Augen dieser Kreaturen ein, die verkümmert waren, weil sie wie Maulwürfe in ewiger Dunkelheit lebten. Natürlich, er machte einigen Lärm bei seinem Aufstieg, und die Würmer folgten den Geräuschen; daher die Kopfbewegungen. Sie konnten ihn gar nicht sehen.
    Ein höchst riskantes Manöver nahm in seinem Kopf Form an, doch er hatte nichts zu verlieren; so, wie die Dinge standen, würde er es kaum zu der Öffnung über ihm schaffen, wenn ihm nichts Rettendes einfiel.
    Während er im Hang weiterkletterte, tastete er nach lockeren Steinen, bis er schließlich einen fand, der faustgroß war; genau das, was er brauchte. Ein paar Augenblicke später – gleich würde er den ersten Biss in seinem Bein spüren – nahm er seine ganze Kraft zusammen und beschleunigte mit letzter Anstrengung seinen Aufstieg. Dann stoppte er und warf den Stein mehrere Meter nach links. Der riesige Kopf des Wurms änderte die Richtung, als er das Geräusch hörte, und wich von dem Weg ab, der ihn zu seinem Opfer geführt hätte. Pascal, der den Atem anhielt, bewegte sich mit äußerster Vorsicht und warf noch einen zweiten Stein. Er wollte die Kreaturen noch weiter von sich weglocken.
    Den Wurm unmittelbar hinter ihm schien die neue Richtung zu verwirren und er zögerte, während er sein tropfendes Maul hin-und herbewegte. Wenn er auf den Trick nicht hereinfiel, war Pascal geliefert. Er schloss die Augen und blieb so lange reglos stehen, bis er Krämpfe bekam. Jede Bewegung, das kleinste Bröckeln des Gesteins unter ihm, war tödlich.
    Schließlich bewegte sich der Wurm in die falsche Richtung, und die beiden anderen folgten ihm. Selbst jetzt erlaubte Pascal sich kaum zu atmen, doch wieder bückte er sich, griff nach seiner Munition und warf noch mehr Steine, damit die Monster nicht stehen blieben. Als er fand, dass sich die Ungeheuer in ausreichendem Abstand befanden, kletterte er so schnell er konnte weiter, immer weiter nach oben, bis es ihm gelang, den Spiegelrahmen zu umfassen. Die Monster hinter ihm brüllten und wälzten ihre schwerfälligen Körper wieder auf die richtige Spur.
    Pascal war nicht gewillt, auf sie zu warten. Er holte Schwung, und mit einem Satz hing er halb im Badezimmer seiner Großmutter.
    Er packte den Rahmen an der Innenseite und zog sich weiter hinein, zog und zog, und endlich spuckte ihn der Spiegel wie bei einer Geburt aus. Endlich wieder in seiner Welt, fiel er auf den Boden, wo er ein paar Minuten liegen blieb, nach Atem rang und die Stille und Ruhe genoss. Was er da gerade erlebt hatte, war völlig unglaublich!
    Er fühlte sich schmutzig, sein ganzer Körper schmerzte und seine Kleider waren zerfetzt. Doch er lebte … und er war stolz. Er hatte es geschafft zu entkommen. Er ganz allein.
    Als er sich zu dem Spiegel umdrehte, entdeckte er auf der beschlagenen Oberfläche eine Botschaft:
     
    DANIEL LEBOBITZ
    RUE BABYLONE 68
     
    Pascal kannte die Straße, die nicht weit entfernt von den Champs-Élysées gelegen war. Er lächelte resigniert. Die Geisterfrau hatte ihm den Namen und die Adresse ihres Sohns mitgeteilt. War er, Pascal, wirklich so verrückt, sich darauf einzulassen?
    Er spürte Zweifel in sich aufsteigen. Er war hin-und hergerissen zwischen dem Mitgefühl für die gequälte Frau und der furchtbaren Angst, die jegliche Aktion als Wanderer zwischen den Welten in ihm auslöste. Er fühlte sich diesem »Auftrag« noch nicht gewachsen. Nein, es war zu früh. Die Sache der Lebobitz musste warten.
    Pascal stand auf.
    »Später«, schwor er sich. »Ich kümmere mich später darum.«
    Das Licht im Badezimmer war jetzt erloschen, das unruhige Flackern, das ihn

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