Totenschleuse
vollgekleckerten Overall und verschwand in Richtung Küche.
Der Milchkaffee im Café an der Schleuse und der Kaffee bei Molsen waren das Einzige, was er morgens nach einem üppigen Rührei mit Schinken und Schnittlauch in seinem Wohnmobil auf dem Parkplatz vor dem Dienstgebäude zu sich genommen hatte. Der Kaffee bei Molsen. Die Serviererin, war das etwa das Madamchen, von dem der Fährmann gesprochen hatte? Die junge Frau mit dem fragenden Blick und dem verheulten Gesicht. Hübsch sah sie aus.
»Vergiss nicht, dir danach die fettigen Finger abzuwaschen!« Jette stellte einen neuen Teller voller Hähnchenkeulen auf eine Treppenstufe.
»Weißt du etwas über seine Tochter?«, fragte er kauend.
»Wenig. Nur, dass man sie auf Sylt häufiger sieht als ihren Vater. Diese Damen sind auf Sylt eben aktiver als ein angestaubter Reeder.«
»Wen meinst du mit der Formulierung ›diese Damen‹?«
»Ich rede von Regina Molsen.«
»Das ist keine Antwort auf meine Frage.«
»Falls es dich interessiert, Regina Molsen ist wieder zu haben«, sagte Jette. Sie ignorierte seine Frage.
»Warum sagst du mir das?«
»Fiel mir gerade so ein. Ich hatte vor Monaten in der Klatschspalte einen Dreizeiler darüber verloren. Sie hat sich getrennt. Nach vier Jahren. Ganz schön lange, findest du nicht?«
»Wieso ist sie wieder zu haben?«
»Ihr Exfreund hatte schwarze Haare bis in den Nacken.«
»Hört sich irgendwie nach Vampirismus an. Was macht der Ex denn beruflich?«
»Man sagt, er sei Fondsmanager.«
»Wie gut kennst du Regina Molsen?«
Sie wischte sich die fettigen Lippen ab. Malbek fand es irgendwie sehr sinnlich.
»Ich sagte doch schon, fast gar nicht«, antwortete Jette. »Ich habe Regina auf irgendeinem Event kennengelernt. Das Kennenlernen bestand darin, dass ich sie fotografieren durfte. Ich muss doch dauernd dahin, sonst hab ich keinen Stoff für die nächste Klatschgeschichte oder den Bericht vom Event der Saison. Aber mehr ist das nicht.«
»Ist das alles?« Da war mehr, das spürte Malbek. Es war ihr so rausgerutscht, und jetzt versuchte sie es herunterzuspielen.
»Warum bist du plötzlich so suggestiv?«, fragte sie.
»Ich bin überhaupt nicht suggestiv.« Die reine Projektion, sie ist aggressiv, aber jetzt bin ich es, dachte er. Ruhig bleiben, sonst kriegst du kein Wort aus ihr raus. »Ich bearbeite einen Mordfall, in dem deine Freundin eine Zeugin ist. Dann bin ich befangen und muss den Fall möglicherweise an einen Kollegen abgeben.«
»Moment, Herr Kommissar, ganz langsam. Wir sind weder verlobt noch verheiratet, falls du das vergessen hast. Und die Regina Molsen ist eine Bekannte von mir. Mehr nicht.«
Aha, dachte Malbek, sie hat Angst, dass ich als Informant für sie ausfalle, wenn ich den Fall abgebe.
»Wenn ich all die Leute, die ich auf irgendwelchen presserelevanten Anlässen immer wieder treffe, als Freunde bezeichnen würde, wäre ich schon Aufsichtsratsvorsitzende des Konzerns, der unseren Verlag gerne kaufen möchte.«
»Du siehst die Regina Molsen also nur auf diesen Events.« Er sah sie wartend an. »Oder?«
»Sie ruft auch mal in unregelmäßigen Abständen an.« Jette setzte eine Bierflasche an den Mund und trank sie in einem Zug leer.
»In welchen Abständen?« Das wird ja immer interessanter, dachte Malbek. Erst weiß sie nichts über Regina Molsen, dann fast nichts, und jetzt …
»Ein- oder zweimal im Monat.«
»Und wie oft rufst du sie an?«
»Eigentlich nie. Nur …«
»Nur …?«
»Herrgott, sie gehört zum Netzwerk der Klatschtanten, die man in meinem Beruf einfach braucht. Klatsch aus der Bussi-Bussi-Szene, die Leute lieben das. Und wenn ich höre, dass sich jemand getrennt hat, oder ein Bankmensch oder Politiker zurücktritt, dann kennt sie möglicherweise den wahren Grund. Oder sie redet ein bisschen über sich selbst, weil sie es mag und es ihrem Image nützt, wenn sie im Gespräch ist. Schließlich sucht sie einen neuen Mann!«
»Und wer die Brustvergrößerung der Frau Soundso eigentlich bezahlt hat …«
»Ja, auch das. Musst du den Fall abgeben, weil mir Regina was über ihre Brustvergrößerung erzählt hat?«
»Ach. Hat sie das …?« Er nahm sich die letzte Hähnchenkeule vom Teller.
»Hast du sie noch nicht gesehen?«
»Nein, aber ich glaube, ich werde den Fall doch behalten, das kann ich mir doch nicht entgehen lassen. Und wehe, du lässt deine …«
»Nein, ich mach es nicht, bei mir bleibt alles echt. Hier, vergiss nicht, die Serviette. Ich hoffe,
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