Totensonntag: Ein Westfalen-Krimi (Westfalen-Krimis) (German Edition)
einer anschleicht, dann bin ich das. Wenn es zügig gehen muss, bist du der Langsamere von uns beiden. Rennen ist nicht gerade deine starke Seite.«
Winter sprintete zurück zur Straßenecke. Da bretterte wieder ein Auto mit unglaublicher Geschwindigkeit an ihm vorbei. Moment mal, war das nicht auch ein roter Audi, genau so einer wie der, der ihm eben an der Kreuzung beinahe hintendrauf gefahren wäre? Suchte der Kerl etwa ihn oder den Fahrer des Peugeots? Winter sah dem roten Wagen nach, der jetzt in einem Affenzahn Richtung Dubelohstraße fuhr.
Eine Tür schlug. Auf der Beifahrerseite des Peugeots war jemand eingestiegen, während Kloppenburg sich am Kofferraum zu schaffen machte.
Winter rannte zum Auto zurück. Währenddessen hörte er, wie eine Kofferraumklappe zugeschlagen wurde. Er startete den Motor des Taxis und fuhr rückwärts auf die Wiese. Die Fahrzeugbeleuchtung ließ er ausgeschaltet. Aus dieser Position konnte er alle Richtungen überschauen, in die der Peugeot fahren konnte.
Das Auto schlug die Richtung nach Schloss Neuhaus ein. Winter gab Gas, um nicht gleich wieder ins Hintertreffen zu geraten, doch das Taxi bewegte sich nur sehr langsam vorwärts.
Die Wiese war durch den Novemberregen zu einem einzigen Schlammloch geworden. Die Hinterreifen des Daimlers drehten durch. Noch bewegte sich der Mercedes Zentimeter für Zentimeter nach vorn, aber wie lange noch? Hoffentlich versackt die Kiste jetzt nicht im Schlamm, dachte Winter.
In ihm war jetzt der Jäger erwacht.
»Komm, komm, komm«, redete er dem Mercedes gut zu. Doch der wurde nicht schneller, ganz im Gegenteil. Jetzt steckte das Auto fast. Das Heck rutschte nach links, schleuderte nach rechts.
»Scheiße«, wimmerte Winter. »Wir bleiben stecken.«
Der Satz war gerade ausgesprochen, da griffen die Räder, und das Fahrzeug schoss auf die Straße. Reflexartig trat Winter auf die Bremse und riss das Lenkrad nach rechts. Das Taxi schlitterte auf den Schwabenweg, und ohne die Vorfahrt zu beachten, riss Winter das Steuer nach links, schoss auf die Querstraße und bretterte Richtung Schloss Neuhaus.
Die Matschspritzer auf seiner Windschutzscheibe nahmen ihm die Sicht. Als er die Scheibenwaschanlage betätigte, stand er vorübergehend völlig im Dunkeln. Doch dann schaffte es der starke Wasserstrahl, den Schlamm so weit zu verdünnen, dass die Frontscheibe mit jeder Scheibenwischerbewegung wieder klarer wurde. Das Erste, was Winter genau erkennen konnte, war ein roter Audi, der auf der Gegenfahrbahn an ihm vorbeischoss.
66
Werner Hatzfeld wartete am Auto, bis Rademacher ihn eingeholt hatte. »Wenn dieser Trottel Mike endlich hier wäre, könnten wir gehen. Versuchen Sie es noch mal, Rademacher!«
Sein Angestellter probierte es von seinem Handy aus, bekam aber keine Verbindung. Ratlos zuckte er mit den Schultern.
Hatzfeld brummte wütend: »Egal, dann muss es eben ohne ihn gehen. Schade, ich hätte so einen wie ihn gern dabeigehabt, falls es brenzlig werden sollte. Wenn man diese Kerle mal braucht, dann versagen sie. Haben Sie ihre Waffe griffbereit, Rademacher?«
Der nickte und zog unter seiner Jacke eine Glock 21 hervor, die er sich am Nachmittag mithilfe von Hatzfeld besorgt hatte. Ohne Waffenschein, aber manchmal sind Beziehungen wertvoller als Bescheinigungen.
»Stecken Sie das Ding weg!«, rief Hatzfeld eine Spur lauter als beabsichtigt. »Muss doch nicht jeder sehen, dass Sie so was mit sich herumtragen.«
Hastig schob Rademacher die Waffe wieder in den Holster, den er gleich mitgekauft hatte, und schaute seinen Chef schuldbewusst an.
»Können Sie eigentlich damit umgehen?«, fragte Hatzfeld im Flüsterton. »Ich stehe schließlich neben Ihnen. Vielleicht sollte ich mich hinter Sie stellen, um sicherer zu sein. Was meinen Sie?«
Nur dem nächtlichen Dunkel und dem Nebel war es zu verdanken, dass Hatzfeld nicht sehen konnte, wie peinlich berührt sein Mitarbeiter war. Nach einem kurzen Blick auf seine Rolex sagte er: »Auf geht´s, Rademacher. Es wird Zeit. Wir wollen doch pünktlich sein. Der feine Herr Kloppenburg mag es nicht, wenn er warten muss.«
Hatzfeld kam gar nicht auf die Idee, dass Rademacher dem Wiedersehen mit dem Mann, den er noch vor wenigen Stunden in seiner Gewalt gehabt und alles andere als anständig behandelt hatte, mit noch viel größerem Bangen entgegensah als er selbst. Kloppenburg hatte allen Grund, ihm etwas heimzuzahlen, das war Rademacher sehr wohl bewusst.
Die beiden so ungleichen Männer
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