Totensonntag: Ein Westfalen-Krimi (Westfalen-Krimis) (German Edition)
wollte an Kloppenburg dranbleiben und suchte deshalb im Taxi nach einer Taschenlampe. Damit bewaffnet signalisierte er Künnemeier, sich bitte schön zu beeilen, und als der sich dadurch nicht aus der Fassung bringen ließ, fasste er den Schützenbruder kurzerhand am Arm und zog ihn über die Bundesstraße.
»Nein, Herr Kommissar, wir machen nichts, wir gucken nur mal.« Weitere Anweisungen konnte Schwiete nicht mehr an den Mann bringen, denn plötzlich wusste Künnemeier, wie man ein Smartphone bediente, und legte einfach auf.
»Junge, war der sauer, ich konnte mir sein Geschimpfe einfach nicht mehr anhören«, sagte Künnemeier und gab das Telefon zurück.
»Los, komm«, mahnte Winter zur Eile, »wir müssen diesen Kloppenburg finden.«
Die beiden Männer gingen über eine Wiese, und jedes Mal, wenn sie einen Fuß auf die Grasnarbe setzten, schmatzte es, so aufgeweicht war das Erdreich. Das Laufen war Schwerstarbeit, denn all das, was der Matsch sich einmal einverleibt hatte, wollte er nicht so ohne Weiteres wieder hergeben. Als die beiden Männer ein Gebüsch auf der anderen Seite erreicht hatten, standen ihnen die Schweißtropfen auf der Stirn.
Nach einer kurzen Verschnaufpause überquerten sie in geduckter Haltung den Weg und standen vor einem Sandberg.
»Hier müssen wir hoch, dann haben wir einen super Überblick über das ganze Areal«, beschloss Winter und begann mit dem Aufstieg. Gegen diese Aktion war das Queren der Wiese Kinderkram gewesen. Winter schnaufte und rackerte sich ab, um die Kuppe des Sandberges zu erreichen. Jedes Mal, wenn er ein paar Meter Höhenunterschied überwunden hatte, griff die Schwerkraft und zog ihn mindestens um die Hälfte des zurückgelegten Weges in die Tiefe. Als Winter oben auf dem Sandberg angekommen war, hatte Künnemeier gerade mal die Hälfte der Strecke zurückgelegt. Er stand da, rang nach Luft und griff sich mit den Händen ins Kreuz, das ihn ziemlich schmerzte.
Gerade wollte Winter wieder ein paar Meter absteigen, um dem alten Schützenbruder zu helfen, da nahm er irgendetwas aus den Augenwinkeln wahr. Einen Lichtreflex? Augenblicklich verwarf er den Gedanken, Hilfestellung zu leisten. Angespannt starrte er auf die Sandgrube. Da sah er es wieder. Es war ein schwacher Lichtkegel, der zwischen zwei Sandbergen zu tanzen schien.
Da war also jemand. Aber was hatte dieser Jemand vor? Wieso war er so dermaßen vorsichtig? Das musste einen Grund haben. Und den musste Winter herausfinden. Zwischen den Förderbändern schien sich eine Person zu bewegen. Winters Nackenhaare stellten sich auf. Was war hier los?
68
Schwiete wanderte in seinem Büro herum wie ein Tiger im Käfig. Diese verdammten Idioten. Er hatte ihnen ausdrücklich aufgetragen, sich aus Polizeiangelegenheiten herauszuhalten. Was sollte er tun? Vielleicht war die ganze Geschichte nur ein Hirngespinst von Winter und Künnemeier. Vielleicht! Aber was wäre, wenn sich da wirklich etwas zusammenbraute? Was, wenn Winter und Künnemeier mitten in einen Bandenkrieg hereinschlitterten, der zwischen rivalisierenden Gruppen des Bordellmilieus tobte?
Immerhin war Kloppenburg offiziell als vermisst gemeldet. Die Tatsache, dass in der Sandgrube ein Mann gesichtet worden war, den die Polizei seit Tagen suchte, war schon ein Grund, alle verfügbaren Polizeikräfte zu mobilisieren. Unter Umständen galt es hier und jetzt Menschenleben zu retten. Die hatten bei Schwiete einen höheren Stellenwert, als bei einem Fehlalarm ein paar tausend Euro in den Sand gesetzt zu haben. Und dann war da noch Schwietes untrügliches Gefühl, das ihm signalisierte, dass Winter und Künnemeier in Lebensgefahr schwebten.
Er entschloss sich, Alarm zu schlagen, rief Kükenhöner an und befahl ihm augenblicklich herzukommen. Dann setzte er sich mit der Leitzentrale der Kreispolizeibehörde in Verbindung und ordnete an, dass alle verfügbaren Streifenwagen zur Sandgrube fahren sollten. Er rief bei der Landespolizeischule Stukenbrock durch und forderte Verstärkung an. Als zentralen Treffpunkt für alle Einsatzkräfte gab Schwiete den Parkplatz an der Autobahnabfahrt Paderborn Schloss Neuhaus aus.
Linda Klocke hatte er noch vor ein paar Minuten auf dem Flur gesehen. Sie war also noch im Haus. Er beschloss, sie persönlich zu informieren, und ging zu ihr ins Büro.
»Die Fahndung nach Alicija Lebedew läuft auf Hochtouren«, berichtete sie ihm freudestrahlend. »Alle Internetzeitungsportale haben die Meldung aufgenommen. Die
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