Totensonntag: Ein Westfalen-Krimi (Westfalen-Krimis) (German Edition)
verließen den gepflasterten Parkplatz. Die feuchte, kühle Luft drang durch ihre Kleidung und ließ sie frösteln. Man hatte eine Art Wall aufgeschüttet, um die Straße vom Parkplatz zu trennen. Auf der linken Seite sah Rademacher zwischen den Büschen gelegentlich das Wasser des Nesthauser Sees, das sich im Licht des Restaurants spiegelte. Vom See her waren gelegentlich Geräusche zu hören, wenn sich eine Ente umständlich in die Luft erhob oder geräuschvoll landete.
Nach etwa fünfzig Metern veränderte sich die Szenerie. Links waren die schwarzen Konturen von haushohen Sandbergen zu erahnen, wie die Gipfel einer Hügelkette. Die beiden konnten kaum noch die Hand vor Augen sehen.
»Ich hoffe, Sie haben eine Taschenlampe dabei«, flüsterte Hatzfeld. Nervös zerrte Rademacher eine kleine, aber leistungsstarke Taschenlampe aus den unendlichen Tiefen seiner Jacke und ließ einen konzentrierten Lichtstrahl durch die gewaltige Sandgrube zucken. Dabei zeigte sich ihnen kurz die beeindruckende Förderanlage, die hoch oben verlief.
»Runter damit, Sie Schwachkopf!«, zischte Hatzfeld ihn an. Erschrocken bemühte sich Rademacher, den Lichtstrahl nur auf das kleine Gebiet direkt vor ihren Füßen zu richten.
»Weiter nach vorn!«, kam sofort die Korrektur von Hatzfeld. »Der Lichtkegel muss mindestens zwei Meter vor uns sein, dann erkennen wir gerade noch den Weg und bleiben trotzdem selbst im Dunkeln. Oder wollen Sie zur Zielscheibe werden?«
Schweigend gingen sie weiter, Rademacher mit der Taschenlampe voran, Hatzfeld mit dem schwarzen Aktenkoffer dicht hinter ihm. Als sie etwa hundert Meter in die Sandgrube hineingegangen waren, ließ sich mehr erahnen als wirklich erkennen, dass sie am riesigen Sandbagger angekommen waren. Direkt vor ihnen stand, kurz von Rademachers Taschenlampe angeleuchtet, eine gelbe Planierraupe. Davor lagen, kreuz und quer, neben- und übereinander, einige Holzpaletten. Da es nicht weiterging, blieben die beiden Männer stehen und warteten ab. Minutenlang passierte nichts.
67
Jetzt war Winter gewarnt. Der rote Audi kurvte hier nicht von ungefähr herum. Er würde die Augen offen halten.
Der Pfad, in den der Peugeot mittlerweile abgebogen war, hieß Altenginger Weg. Das wusste Winter noch von seiner Taxifahrerprüfung. Er wusste auch, dass dieser Weg in einer Sandgrube endete. Kurz entschlossen bog er von der Bundesstraße ab und stoppte keine zehn Meter weiter auf dem Grasbankett.
»So, jetzt wird gelaufen, Willi«, rief er dem alten Schützenoberst aufmunternd zu. Der saß weiterhin auf dem Beifahrersitz und war, das bemerkte Winter jetzt erst, leichenblass. Das, was er für Abgeklärtheit oder Coolness gehalten hatte, war schlicht und ergreifend Angst.
»Was ist los mit dir?«, fragte er besorgt nach.
»Ach, Johnny, diese Raserei ist nichts für mich. Ich hatte vor Jahren mal einen Autoumfall. Seitdem wird mir immer ganz anders, wenn einer so heizt wie du eben. Ich hab noch ganz weiche Knie.«
»Nutzt nichts, Willi, wo wir schon den ganzen Aufwand betrieben haben, bringen wir das jetzt auch zu Ende. Ich möchte wirklich mal wissen, was dieser Kloppenburg hier in der Sandgrube zu suchen hat. Komm, wir schlagen uns in die Büsche.«
»Warte, Johnny, vielleicht hattest du vorhin recht. Ab einem bestimmten Zeitpunkt ist Verbrecherjagd Polizeiangelegenheit. Verhaften soll Schwiete die Gangster selbst. Das ist nicht unsere Aufgabe.«
»Okay, Willi, wie du willst. Aber du erzählst unserem Horst, was Sache ist. Es war deine Idee, nach Bad Lippspringe zu fahren, um noch einmal nach dem Rechten zu sehen. Ich wollte zu Hause bleiben und Musik hören. Du hast mich mehr oder weniger genötigt, also holst du dir jetzt auch den Einlauf ab.«
Künnemeier besah sich das Smartphone, das Winter ihm hinhielt. »Mit diesen modernen Dingern kann ich nicht umgehen. Mach du das mal lieber mit dem Telefonieren«, versuchte er die unangenehme Aufgabe auf Winter abzuwälzen.
»Oh nein, mein Lieber! Ich drücke jetzt auf dieses Feld, und dann musst du nur noch sprechen.« Winter reichte Künnemeier das Handy.
»Ja, hallo, Herr Kommissar? Ja, hier spricht Künnemeier. Johnny und ich, wir haben da was herausgefunden. Ja, und weil Sie neulich sagten, wir sollen uns da raushalten, da machen wir das natürlich auch.«
Künnemeier hörte mit verkniffener Mine zu. »Ja, Herr Kommissar, ja, ich erzähle ihnen mal die ganze Geschichte.«
Während Künnemeier berichtete, wurde Winter immer ungeduldiger. Er
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