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Totensonntag

Totensonntag

Titel: Totensonntag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfram Jürgen; Tewes Reitemeier
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Schiff routinemäßig durchsuchen und sie finden würde, hatte man ihnen gesagt. Dann würden sie, weil sie noch nicht volljährig seien, wieder zu ihren Eltern zurückgeschickt, und aus wäre es mit ihrem Traumziel Deutschland. Also hatten die beiden Mädchen sich zwei Tage lang still verhalten. Dann kamen sie in einem fremden Hafen an. Es war die Stadt Varna in Bulgarien. Weiter ging es mit einem Kleinbus.
    Mittlerweile waren noch andere junge Frauen, beide aus Georgien und in ihrem Alter, dazugekommen. Da Bulgarien seit Neuestem der EU beigetreten war, gab es keine Schwierigkeiten, als der Bus nach einer tagelagen Fahrt in einer großen Stadt anhielt und man ihnen erklärte, dass sie in Deutschland seien, dass diese Stadt München heiße und dass sie von hier aus weiter zu ihren vorgesehenen Arbeitsplätzen gebracht würden. Olga und Alicija waren zu ihrer Erleichterung zusammengeblieben und kurz darauf in einer Stadt mit Namen Paderborn gelandet. Sie hatten sich gefreut, endlich angekommen zu sein, und darauf gebrannt, ihre Kellnerinnenausbildung in einem guten Restaurant zu beginen. Beiden wurde eine ganz nette Wohnung in der Straße Im Lohfeld zugewiesen. Für ihre Verhältnisse war es eine fürstliche Unterkunft, und sie waren guter Dinge.
    Bis sie am nächsten Tag Mike kennenlernten und sich alles schlagartig änderte.

18
    Er hatte den Zeitpunkt so lange wie möglich hinausgezögert, aber irgendwann musste Wilfried Kloppenburg sich doch mal zu Hause blicken lassen. Wie erwartet, war seine Frau allerschlechtester Laune gewesen und hatte ihn mit Vorwürfen und Fragen überschüttet. Kloppenburg war standhaft geblieben, hatte alle Verdächtigungen abgestritten. Nach einem trostlosen Abendessen, bei dem kein Wort gesprochen worden war, saßen die beiden Eheleute nun in verschiedenen Räumen: sie im Wohnzimmer, er in einem behaglichen Raum, der eine Mischung aus Büro, Bibliothek und Bar darstellte. Dies war sein Reich, hier war er unantastbar.
    Erschöpft stützte er den Kopf auf beide Hände und starrte die Wand an. Was war nur mit ihm geschehen? War er wirklich ein Spinner, wie Rademacher gesagt hatte? Einer, der Professionalität mit Zuneigung verwechselte? Wilfried Kloppenburg konnte sich dieser bitteren Wahrheit nicht völlig verschließen. Er hatte sich tatsächlich, gegen jede Vernunft, in dieses Mädchen verliebt. Die Abstände zwischen seinen Besuchen bei ihr waren immer kürzer geworden. Anfangs sehr sporadisch, dann wöchentlich, zum Schluss täglich, wenn es sein Terminkalender erlaubte. Zuletzt auch einige Male in Alicijas Wohnung. Dadurch fiel es ihm leichter, sich ein echtes Liebesverhältnis vorzulügen. Außerdem behielt sie die komplette Summe, die er ihr zahlte, für sich. Ihr Arbeitgeber hatte davon natürlich nichts wissen dürfen.
    Sein Verhältnis zu Alicija hatte sich schon fast zu einer Sucht entwickelt. Und nun sollte alles vorbei sein? Er sollte sich einfach so damit abfinden, dass Alicija tot war? Vielleicht, wenn es nachweislich ein Unfall gewesen wäre. Aber daran glaubte Kloppenburg keine Sekunde. Hier hatte jemand die Finger im Spiel gehabt, und er glaubte auch zu wissen, wer das war.
    Mitten in diese Überlegungen hinein klingelte sein Telefon. Kloppenburg hielt es für einen deutlichen, ja unmissverständlichen Wink des Schicksals, dass genau der Mann am Apparat war, dem er die Schuld an Alicijas Tod gab.
    »Ich habe gehört, dass du uns heute besucht hast«, sagte Hatzfeld. »Normalerweise freue ich mich über deine Besuche. Aber man hat mir berichtet, dass dein Verhalten sehr ungewöhnlich gewesen sein soll. Gelinde ausgedrückt. Was ist los? Was wirfst du mir vor?«
    Kloppenburg holte tief Luft und legte dann los: »Ich weiß genau, dass du hier was gedreht hast. Du wolltest sie loswerden, davon hatte sie mir erst vorgestern erzählt. Sie hat nicht so gespurt, wie du das gern wolltest. Hat sich gewehrt. Aber sie hat sich mir anvertraut. Sie hat dir deine krummen Touren vorgeworfen und gedroht, dich hochgehen zu lassen. Ich weiß alles. Und dann hast du sie aus dem Weg geräumt. Was bist du für ein Schwein!«
    »Was redest du denn da? Ich habe niemanden aus dem Weg geräumt. Ich war zur Zeit der Explosion weit weg. Auf Sylt. Das können dir zig Leute bestätigen. Mensch, Wilfried, mach die Augen auf! Siehst du denn nicht, was hier passiert ist? Sei ehrlich zu dir! Wir wissen doch beide, dass dieses Mädchen depressiv war. Weder die Feuerwehr noch die Polizei zweifelt daran,

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