Totenstimmung
Überlegen. »Ach so, reine Gewohnheit. Das krieg ich schon noch in den Griff.« Sie verzog das Gesicht. »Na ja, sonderlich modisch ist sie nicht gerade gekleidet gewesen.«
»So was zieht man zum Sport an«, versuchte Michael Eckers zu vermitteln, »du solltest mal in mein Fitnessstudio mitkommen. Was du da manchmal zu sehen bekommst, mein lieber Mann, da fallen dir glatt die Hanteln aus den Händen.«
Carolina Guttat winkte ab. »Trug sie Sportschuhe?«
Ecki schüttelte den Kopf.
»Also keine Joggerin.«
»Wie gesagt, Leenders ist noch nicht so weit.«
»Sport hilft.«
»Was meinst du, Frank?« Carolina Guttat hatte ihre Suche nach einer Zigarette schon vergessen.
»Sport ist der richtige Ausgleich, wenn man mit dem Rauchen aufgehört hat.«
»Wenn man zwei Kinder hat, lieber Frank, kommt man locker ohne aus. Die Blagen halten mich wirklich genug auf Trab.«
»Trisomie 21.«
»Aha.« Frank Borsch sah den Gerichtsmediziner fragend an.
»Okay, Borsch, für Bullen: Down-Syndrom. Eine mongoloide Frau. Außerdem war die Tote nicht älter als zwanzig.«
»Woran siehst du das? Das Gesicht ist doch fast völlig weg.«
»Guck dir ihre Füße an.« Richard Leenders hob das Laken.
Ecki drehte sich weg. Er ertrug Obduktionen nicht. Sein Schlüsselerlebnis lag zwar schon Jahre zurück, aber seither mied er die Pathologie oder zumindest den Anblick der toten Körper. Damals hatte er eine Leiche von einem Dachbalken geschnitten. Als er sie abnahm, hatte sie ihn förmlich angerülpst, als der Rest Luft aus ihrem Brustkorb endlich entweichen konnte.
Frank sah ungerührt auf die Füße. »Ich sehe nichts.«
»Hier, der deutliche Abstand zwischen der ersten und zweiten Zehe. Die typische Sandalenlücke. Und«, Leenders deutete auf den Kopf der Toten, »die geschrägten Lidachsen.«
»Und das ist typisch, ja?«, fragte Ecki aus gebührendem Abstand. Er wünschte sich einen Kopfhörer auf seine Ohren, mit Helene Fischer und »Morgen küss ich dich wach«, seiner absoluten Lieblingsnummer im Augenblick.
Leenders, wegen seiner etwas eigenen Art, mit Toten umzugehen, in Polizeikreisen auch Mad Doc genannt, schmunzelte. »Kannst ruhig näher kommen. Aufsägen tue ich sie erst später. Aber ich wette, dass ich dann noch einen Atriumseptumdefekt, sprich: einen Herzfehler, finde, verengte Atemwege, Zöliakie, irgendwas in der Art.«
»Irrtum ausgeschlossen?«
»Ich würde meinen Arsch darauf verwetten, dass unser Mädchen hier mongoloid war.« Der Pathologe klang fast fröhlich. Die Autopsie versprach interessant zu werden.
Fehlt jetzt nur noch, dass er ihr die Wange tätschelt, dachte Frank.
»Lass gut sein, Leenders, der Bericht reicht mir.« Frank wollte seine Freund und Kollegen Ecki erlösen. Den Rest würde ihnen Carolina berichten, die bisher still im Hintergrund gestanden hatte.
»Also keine Sportlerin?«
Leenders schüttelte den Kopf und deckte die Leiche ab. Der Körper war eine einzige großflächige Brandverletzung. »Zur Sicherheit mache ich selbstverständlich noch eine Analyse der Chromosomen.«
Frank sah die Staatsanwältin fragend an.
Carolina Guttat nickte kaum merklich.
»Komm, Ecki, wir fahren.« Frank zog seinen Freund am Ärmel.
Ohne einen Blick auf die Tote zu werfen, folgte Michael Eckers Frank.
»Eckers?«
Ecki drehte sich zu Leenders um.
»Soll ich dir den Blutdruck messen? Du bist ja ganz weiß um die Nase.« Leenders lachte meckernd.
»Arschloch«, brummte der Kriminalhauptkommissar des KK 11 der Mönchengladbacher Polizei.
»Nichts für ungut, Eckers. Nichts für ungut.« Lachend griff der Pathologe zum Skalpell, um einen ersten Schnitt zu machen. »Aber du solltest dir das ansehen. Wirklich eine höchst interessante Angelegenheit. Wirklich.«
»Können wir endlich anfangen?«
»Selbstverständlich, Frau Staatsanwältin. Frauen sind einfach robuster. Ich sage es ja immer.« Leenders nickte selbstzufrieden.
Und du bist ein Dummschwätzer, dachte Carolina Guttat und wünschte sich, in einer Wolke aus Zigarettenqualm verschwinden zu können.
»Wer schießt bitte auf eine mongoloide junge Frau?« Ecki wartete die Antwort nicht ab, sondern öffnete das Handschuhfach. »Mist. Ich habe meine CD s vergessen.«
Gott sei Dank, dachte Frank. So blieb ihm auf der Rückfahrt zum Präsidium die unsägliche WDR 4-Musik erspart, die Ecki so sehr liebte. Mehr noch als seine Hefeteilchen, auf die er niemals freiwillig verzichten würde, vor allem, wenn sie ganz frisch waren.
»Vielleicht
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