Totenstimmung
eines Theaterstücks, dessen Dramaturgie sie nicht verstanden.
»Was grübelst du denn?« Ecki sah an der Hausfassade empor.
»Findest du nicht auch, dass die Stadt trostlos wirkt, irgendwie tot? Ob das an den vielen Arbeitslosen liegt?«
»Keine Ahnung. Hier. Wir sind da.« Er drückte den Klingelknopf.
Sie wurden bereits an der Wohnungstür erwartet.
»Bitte, meine Herren, kommen Sie herein.«
Frank Borsch und Michael Eckers begrüßten den Mann mit einem knappen Händedruck und folgten ihm in den Wohnraum.
»Setzen Sie sich doch.«
Die beiden Beamten des KK 11 nahmen auf dem bunt gemusterten Sofa Platz.
»Entschuldigen Sie bitte, ich habe mich noch nicht vorgestellt. Mein Name ist Radermacher, Volker Radermacher. Ich bin der Sozialarbeiter, der sich um Elvira kümmert. Eigentlich bin ich Krankenpfleger. Aber ich kümmere mich auch um all die anderen Sachen. Ich gehe mit den Behinderten zu den Ämtern, halte den Kontakt zu ihren Angehörigen, soweit sie welche haben, mache Ausflüge, koche mit ihnen. Was halt so anliegt. Im Augenblick bin ich gerade alleine. Die anderen aus der Wohngemeinschaft sind arbeiten. Möchten Sie einen Kaffee? Damit lässt es sich leichter reden. Schlimme Geschichte. Ich mache mir wirklich Sorgen. Also Kaffee?«
Ecki sah Frank an, der nickte.
»Dauert nur einen Augenblick. Bin gleich zurück.«
Während der Mann in der angrenzenden Küche verschwand, sahen sich die beiden Ermittler um.
Der Raum war hell und freundlich eingerichtet. An den Wänden hingen zwei Bilder mit großen Mohnblumen. Auf einer Anrichte aus Naturholz standen ein Flachbildschirm und eine Musikanlage.
»Nett.« Ecki stand auf und ging zum Fenster. »Und du bist hier mitten im Geschehen.«
»Das ist auch unser Konzept.« Der kräftige, etwas behäbig wirkende Krankenpfleger setzte das Tablett mit den Kaffeetassen auf den Wohnzimmertisch.
»Wie meinen Sie das?«
Volker Radermacher setzte sich und zog das Hemd glatt, das über seinem Bauch spannte. »Früher hat man die Behinderten einfach weggesperrt. Wir gehen seit einigen Jahren konsequent den umgekehrten Weg. Die Menschen, die uns anvertraut werden, sollen am öffentlichen Leben teilhaben können wie jeder andere auch. Deshalb sind unsere Wohngruppen über die ganze Stadt verteilt.«
»Geht das überhaupt?« Ecki rührte in seinem Kaffee.
»Viele sind mobil und können sich selbst helfen. Zumindest eingeschränkt. Entweder leben wir Betreuer im Schichtdienst mit in der Wohnung, oder unsere Behinderten sind in der Lage, zwischendurch auch alleine zurechtzukommen. Das geht natürlich nicht bei Leuten, die so eingeschränkt sind, dass sie Vollzeitpflege brauchen. Sie haben wohl wenig Kontakt zu behinderten Menschen, oder?«
Eckers hob die Hände. »Ehrlich gesagt ...«
Volker Radermacher lächelte. »Sie brauchen sich nicht zu rechtfertigen. Ich weiß sehr wohl, dass es noch ein weiter Weg ist, bis so eine Frage niemanden mehr in Verlegenheit bringt.«
»Ihnen ist zuerst gar nicht aufgefallen, dass Frau Theissen nicht zu Hause war?« Frank Borsch sah den Betreuer aufmerksam an.
Das runde Gesicht des Sozialarbeiters verdunkelte sich. »Wir sehen hier alle zwei, drei Tage nach dem Rechten. Mehr geht im Augenblick nicht. Die vier hier kommen eigentlich ganz gut klar.«
»Wann haben Sie gewusst, dass etwas nicht stimmt?«
»Jürgen hat mich gefragt, wann Elvira von ihrer Mutter zurückkommt. Das hat mich sehr gewundert, denn Elvira hatte ihre Mutter erst vor einer Woche gesehen. Der Kontakt ist nicht ganz so eng, wissen Sie.«
»Wer ist Jürgen?«
»Einer der vier aus dieser Wohngruppe.« Volker Radermacher deutete vage in den Raum. »Am gleichen Vormittag kam der Anruf aus der Werkstatt, wo Elvira bleibe.«
»Elvira arbeitet wo?« Eckers machte sich Notizen.
»In Hemmerden. Die Werkstatt nimmt das sehr genau. Die Behinderten werden dort wie ganz normale Arbeitnehmer behandelt. Wer fehlt, muss das begründen. Mit einem Attest zum Beispiel. Wer mehrfach fehlt, bekommt eine Abmahnung. Das kann bis zur Entlassung gehen.«
Frank stutzte. Der Leiter der Werkstatt für Behinderte in Grevenbroich war Wimo, der Bassist seiner Band.
Ecki sah Radermacher erwartungsvoll an. »Und was haben Sie getan, nachdem Sie ihr Verschwinden bemerkt haben?«
Die Frage schien den Mann nervös zu machen. Unruhig veränderte er seine Sitzhaltung. »Ich habe sofort meinen Arbeitgeber und die Polizei informiert, wie es die Vorschriften in so einem Fall vorsehen. Das ist
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